Zwei Verrückte spielen mit der Kunst


Zwei Verrückte spielen mit der Kunst

Milan Sladeks Pantomimen-Uraufführung „Andy & Basquiat“ begeistert in Köln

Von Günther Hennecke

Köln – Er ist wieder da. Mit einem „Geschenk“. Einem Geschenk im doppelten Sinn: Einerseits ist es der Titel eines Stücks, mit dem Milan Sladek bereits 1974 das bis dahin einzige feste Pantomimentheater Westeuropas, das „Theater Kefka“ in Köln eröffnet hat. Mit ihm begann der Abend. Andererseits glänzte er mit einer Uraufführung: Im intimen Raum des Kölner „Theaters im Bauturm“ gelang ihm mit „Andy & Basquiat“ ein vor Witz und Komik sprühendes Stück über die Verrücktheiten zweier Welt-Künstler. Da trifft  Andy Warhol auf Jean-Michel Basquiat, die während ihrer realen Freundschaft gemeinsam 130 Bilder geschaffen haben.

„Das Geschenk“, ein Danaergeschenk für Tschechen und Slowaken

„Das Geschenk“ ist eins, das sich als unheilbringend erweist. Wie das Danaergeschenk der Antike, das Troia schließlich zum Einsturz brachte. Weiß glänzt das Gesicht, weiß das Gewand des Pantomimen Kefka, Milan Sladeks Alter Ego. Mit Händen beschwört und beschreibt er einen Raum, der sich zu einem Refugium voller Gegenstände und Leben entwickelt. Selbst ein Klavier lässt seine Töne hören – wenn Kefka es so will. Ein Sessel kommt hinzu, unsichtbares Wasser fließt in ein nicht sichtbares Glas. Es ist die Schöpfung einer ganz eigenen Welt. Unsere Phantasie schlägt Purzelbäume.

Plötzlich klingelt’s, und die Ruhe scheint dahin. Er öffnet die nicht sichtbare Tür – und herein rollt ein riesiges Ei. Kefka ist ratlos, will es loswerden. Da birst die Schale, und ein seltsamer Vogel bricht in seine behütete Welt ein. Aus ihm wird, gefüttert und am Leben gehalten von Kefka, ein riesiger Vogel. Er versucht zu fliegen, und bleibt letztlich doch am Boden. Um wenig später, mächtig gewachsen und in voller Farbenpracht, seine wahre Natur zu zeigen: Er beißt mit seinem riesigen Schnabel Kefka erst ein Bein, dann einen Arm ab, um ihn schließlich ganz in seinem Schlund verschwinden zu lassen. Nur der Kopf bleibt –als Spielball für den Übeltäter. Doch dann stürzt auch der Vogel ins Nichts, verschwindet wie sein Opfer in der Unsichtbarkeit des Schwarzen Theaters“. Aus dieser Dunkelheit taucht, wie Phönix aus der Asche, der zuvor so düpierte Kefka alias Sladek strahlend weiß wieder auf.

Ein versöhnlicher Schluss, so scheint es, nach bitterer Erfahrung. Sladek spielt mit diesem „Geschenk“ erklärtermaßen auf das Verhältnis seiner Heimat zur Sowjetunion an. Nach dem Motto: Erst habe ich ihn, den vermeintlichen Freund, wachsen und gedeihen lassen, ehe er seinen Verbündeten  zerfetzt. Sladek reagierte seinerzeit mit dem „Geschenk“ auf die blutige Unterdrückung des „Prager Frühlings“ durch die Truppen des Warschauer Paktes im August 1968.

Grandios ist die äußerst farbige Vogelgestalt, deren Lebendigkeit und Bewegungen von gleich vier Pantomimen – neben Milan Sladek – verblüffend vielgestaltig auf die Spielfläche gezaubert werden. Von Leo Gnatzy, Kelvin Kilonzo, Francesco D’Amelio und Sladeks Sohn Taro Sladek. Unterstützt werden sie mit Mitteln des Schwarzen Theaters, dessen künstlerisches Zentrum immer schon Prag war.

„Andy & Basquiat“ – ein verrücktes Paar in der Welt der Kunst

Nach diesem bitteren „Geschenk“ ist Sladeks neuestes Stück, „Andy & Basquiat“, fast ein Satyrspiel. In ihm spielen Andy Warhol und sein schwarzer Freund Jean-Michel Basquiat, schon fast legendärer Graffiti-Meister, Maler und Zeichner, ein verrücktes Komiker-Paar.

Da kommt er also, weißes hochgebürstetes Haar, in die Szene, verschwindet kurz danach wieder hinter einer weißen Leinwand, während der wahrlich bunte Vogel namens Basquiat sein spielerisches Unwesen treibt. Ist der doch der frei und ungebunden mit Farben und Formen spielende Chaot, während Milan Sladeks Andy-Persiflage vor allem der Schablone vertraut. Wenn man weiß, wie Sladek Warhol verehrt, wirkt seine Andy-Darstellung wie pure Ironie. Gegensätze brechen auf, die in der Kunst wieder aufgehoben werden. Sie haben einfach ihren Spaß an ihren Szenen. Wobei Andy alias Sladek, so seine ironisch verdeckten Probleme mit seinem Freund hat.

Wenn dann Andy, bekennender Homosexueller, dem schwarzen Freund in die gelupfte Hose guckt, ist das ebenso ironisch durchtränkt wie die Szene, in der Sladeks Andy in Marylin Monroe-Pose den weißen Rock über einem Luftschacht hochfliegen lässt.

„Andy & Basquiat“ ist eine merkwürdig freie, dabei stets ebenso witzig-komische wie spöttische Liebeserklärung an das verrückte Duo aus New York. Mit seinem schwarzen Partner Kelvin Kilonzo und zur Musik von Josef Vlk gelingt ein unbeschwertes Stück Pantomimentheater. Gracias Devarajs Video-Einspielungen, in der Andy das weltbekannte Portrait Marylin Monroes, ein bisschen schief und farbverschmiert, auf die Leinwand bannt, spielt in diesem Spiel voller Ironie bestens mit.

Die Begeisterung des Publikums brach sich in Jubel und großem Applaus nieder. Zu Recht.