Gegen Gefallsucht

Horváths „Don Juan kommt aus dem Krieg“ in Salzburg

 

Salzburger Festspiele Foto: Monika Rittershaus
Salzburger Festspiele
Foto: Monika Rittershaus

 

 

 

SALZBURG. Der Erste Weltkrieg hat Don Juan verwandelt. Er will ein anderer werden. Nicht länger Schürzenjäger, nicht länger Schuft. Er strebt mit aller Macht zurück, zu seiner Braut, der großen Liebe, mit der er zusammenbleiben, mit der er eine Familie gründen will

 

Aber es klappt nicht. Auf seinem langen Weg zu seiner  Braut stellen, besser: legen sich ihm Frauen in den Weg.

 

Ödön von Horváth beschreibt in seinem selten gespielten Meisterwerk, wie die Frauen in der Weimarer Republik sind – alle, von der Fünfzehnjährigen bis zur Greisin, wollen nur das eine: Männer, ihn, Don Juan. Nicht er verführt Frauen, die Frauen wollen ihn verführen.

 

Neun Schauspielerinnen spielen über 30 Rollen

 

Ein wunderbare Vorlage, über dreißig tolle Frauenrollen – und Andreas Kriegenburg führt Regie –  in Hallein, einer ehemaligen Saline, der Werkstattbühne der Salzburger Festspiele.  So viele Schauspielerinnen, wie Horváth Rollen schreibt, kann nicht einmal das reiche Festival aufbieten, neun Damen müssen mehrere Rollen übernehmen. Und sie: Theatertigerinnen, Bühnenlöwinnen und –pantherinnen, tun es mit Lust.

 

Das ganze Damenensemble funkelt vor Witz und Biss, sie kennen die Schwächen des eigenen Geschlechts. Traute Hoess z. B. ist die böse Großmutter. Sie hat Don Juan, der Briefe an seine Braut schrieb, nie mitgeteilt, dass sie, ihre Enkelin, längst gestorben ist. Die Greisin will dem Verführer ins Auge blicken, wenn sie ihm die Todesnachricht überbringt – obwohl ihr Enkelkind im Grab modert, beneidet sie sie. Traute Hoess‘ Gesicht ist, wie das aller Damen, weiß geschminkt, erinnert an Clown und Totentanz gleichermaßen, die Lippen grellrot. Die Hoess dehnt die Sprache, statt „Hölle“ sagt sie: „Hööllllee“. Später spielt sie die Gattin eines Kriegsgewinnlers, eines Fleischkönigs. Traute Hoess ist ausgestopft. Als wöge die Fleischersfrau drei Tonnen, dennoch ist ihr Kleid transparent, besonders das Höschen, ein Tanga, wirkt grotesk. Und auch diese monströse Dame versucht, Don Juan zu verführen.

 

Huren und eine Professorengattin, eine Lesbe und ein halbes Kind spreizen die Schenkel, eine Kommunistin zeigt sich willig. Andreas Kriegenburg vermeidet aber allzu billigen Humor, Verzweiflung grundiert seine Inszenierung.

 

Horváths Stück ist eine Trouvaille

 

Nach zwei Dritteln der Aufführung haben sich die Mittel der devoten Anmache, der billigen Werbung verbraucht, sie wiederholen sich, die Aufführung bekommt etwas Fadenscheiniges, wird zäh. Am Ende bäumt sich die verläppernde Inszenierung noch einmal auf. Don Juan findet auf dem Friedhof das Grab seiner Braut, es ist bitter kalt, es schneit. Er entkleidet sich und erfriert, um sich im Tod mit der Geliebten zu vereinen. Da kommen alle neun Darstellerinnen, jede mit einem Riesenblock Eis, die neun Blöcke umzirken Don Juan, jede Dame zerhackt ihren Block, trägt ihr Stück Eis bei zum Tod des Geliebten.

 

Dieses Bild kommt wohl einer zentralen Botschaft Horváths am Nächsten: Dass die Frauen dazu beitragen, die Welt zur Hölle zu machen, mit ihrem Wettbewerb untereinander, eine will die andere ausstechen, mit ihrer lächerlichen Eitelkeit, vor allem aber mit ihrer größten Schwäche, der Gefallsucht.

 

Das Stück ist besser als die Inszenierung und die Damen sind besser als ihr Regisseur. Andreas Kriegenburg wird überschätzt, aber „Don Juan kommt aus dem Krieg“ sollte häufiger gespielt werden.

Ulrich Fischer

 

Auff. am 19., 20., 21., 23., 24., 26. und 27. Aug. – Spieldauer 1 Std. 50 Min.

Internet: www.salzburgfestival.at – Kartentelefon: 0043 662 8045 500