Im Wunderland der Roboter

Im Wunderland der Roboter

Uraufführung von Sibylle Bergs „Wonderland Ave.“ durch Ersan Mondtag in Köln

Von Günther Hennecke

Köln – Sibylle Bergs Theater sei ihm „erst mal fremd“, bekennt der 31-jährige Ersan Mondtag, erst 2016 von „Theater heute“ zum „Nachwuchsregisseur des Jahres“ gekürt, in einem Interview. Gleichwohl sei sie „eine großartige Autorin mit wahnsinnigem Humor und Zynismus“. Was jetzt in Kölns Schauspiel-Depot 2 zu beweisen gewesen wäre.

Roboter-Blick in die Zukunft

In der Uraufführungs–Inszenierung von „Wonderland Ave.“ der in Weimar geborenen und in Zürich lebenden Autorin Sibylle Berg, Schweizerin seit 2012, ist das keine einfache Sache, stellt die 56-Jährige doch die Zukunftsfrage nach der Bedeutung des Menschen in einer ebenso fiktiven wie realistisch scheinenden Zukunft. In Ihr haben Automaten den ausgepowerten Menschen ersetzt. Der ist am Ende, bedeutungslos und erschöpft. Dieses „Wunderland“ wird zum Abgesang auf die Krone der Schöpfung.

Kein Gipfel-Blick

Soweit die Theorie, vielleicht auch die Tendenz. Doch wäre da nicht die Opulenz eines Theaterabends, mit der Mondtags Regie dem Text zur Seite springt – er wäre ein Nichts. Ein unsicheres Mäandern durch eine vermeintlich menschenzerstörerische Zukunft, die von Robotern beherrscht wird. Denn Bergs Text ist einfach nur langweilig. Er kann sich nie entscheiden, welcher Dramaturgie er folgen soll. So herrschen zwar die Roboter, sind ebenso streng wie witzig, mitreißend in ihren grandiosen Kostümen (Josa Marx) und ruckartigen Bewegungen. Doch das Paar, das den menschlichen Part abgibt, sich einerseits längst aufgegeben hat und sich gleichwohl wieder verkitscht in das versenkt, was einst so menschlich war, ist einfach nur banal. Kein Spannungsbogen hält den Abend zusammen; immer wieder sucht er sein Heil in Witz, Augenzwinkern und kabarettistischer Distanz. Einen Gipfel erklimmt dieses Berg-Stück nie.

Die Performance rettet den Abend – fast

Wäre da nicht ein großes „Aber“, das das Gesamturteil aufpäppelte – und den Abend doch noch sehenswert machte. Wenn auch nicht zwei Stunden lang. Dieses Aber liefert der Performance-Künstler Mondtag, der dem Regisseur Mondtag weitgehend die Schau stiehlt. Drängt sich doch von Beginn an sein Bühnenbild ins farbtrunkene Auge.

Nackte Frauen und ein Höllensturz

Wir sind nämlich in einer Art Museum. Zur Rechten wie zur Linken erzählen zahllose Gemälde von Menschen. Im Hintergrund präsentiert ein riesiges Bild zahllose nackte Frauen, während, als Pendant, ein anderes Riesenbild von einem Höllensturz erzählt. Hinter beiden Gemälden werden sich später Nischen öffnen, in denen vermeintliche Kunstwesen, in ihrer Starrheit an Puppen erinnernd, zu apart-bunten Szenen gruppiert sind.

Renaissance-Schönheit mit Sack überm Kopf

Die Spielfläche selbst wird beherrscht von zwei riesigen Skulpturen. Eine, auf der zu Beginn wie wieder am Ende das Menschenpaar wie im Schlaf liegt, ist unverkennbar eine realistische Nachbildung des Schauspielers Bruno Cathomas: massig der Körper, der Kopf dem Publikum zugewandt. Obgleich geschätzte sieben Meter groß, wirkt sie so real, als könnte sie jederzeit ins Geschehen eingreifen. Dessen „Partnerin“ ist eine ebenso überdimensionierte nackte Renaissance-Schönheit-mit einem Sacktuch über Kopf und Gesicht.

Grandioses Roboter-Quintett

Sich in dieser überwältigenden Form- und Farbwelt zurecht zu finden, gelingt den Roboter-Darstellern (Sophia Burtscher, Jonas Grundner-Culemann, Elias Reichert, Sylvana Sedding und Nicolay Sidorenko), die die Menschen zur Räson bringen wollen, bestens.

Die Schau besiegt einen unbedeutenden Text

Daneben wirken die beiden Menschen-Darsteller, die mal gegen die sanfte Diktatur der Roboter aufbegehren, sich dann aber wieder in ihr vermeintliches Schicksal fügen, wie ein Prekariat menschlichen Daseins. Zumal Kate Strong ihren Part bis zur Grimasse aushöhlt. Was bleibt, ist ebenso eindeutig wie unbefriedigend. Hier drücken Schau und Performance ein mehr als müdes Stück an die Wand der Unbedeutenheit. Trotzdem starker Applaus.

Aufführungen: 12., 22., 24., 26. Juni; www.schauspielkoeln.de