Rätsel ohne Lösung

Rätsel ohne Lösung


René Pollesch inszeniert sein neues Stück „Probleme, Probleme, Probleme“ im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg

HAMBURG.    „Das Leben, die Illusionen und die Naturgesetze sind im Grunde ein einziger Prozess des Niedergangs“ lässt sich René Pollesch in der Werbung für sein neues Stück zitieren. Eine gute Inhaltsangabe.

Das Uraufführung am Samstag im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg beginnt mit französischer Tingeltangelmusik, im Großen Haus stehen zwei Bühnen nebeneinander. Das Ensemble – fünf Schauspielerinnen – nimmt die Doppelung im Dialog auf; einige haben den Eindruck, heute schon zwei Vorstellungen gespielt zu haben und eben das, was sie jetzt gerade sagen, schon einmal gesagt zu haben.

René Pollesch liebt es, Theorien auf die Bühne zu bringen; hier geht es um Heisenberg und um Erkenntnistheorie, die von fernher verbunden wird mit Gedanken über den Schauspieler. Wer oder was ist eigentlich ein Schauspieler? Geht er auf in der Rolle, die er spielt, oder ist z. B. Sophie Rois Sophie Rois und niemand anders? Sieht man den Schauspieler, wenn er nicht da ist? Was bedeutet diese Frage? Ist sie sinnvoll?

Deutsches Schauspielhaus Hamburg, „Probleme Probleme Probleme“ von René Pollesch, Uraufführung: 6.4.2019, Regie: René Pollesch, Bühne: Barbara Steiner ,Kostüme: Tabea Braun, Video: Ute Schall, Kamera: Hannes Francke ,Licht: Susanne Ressin, Ton: André Bouchekir, Christoph Naumann, Dramaturgie: Sybille Meier, v.l.: Angelika Richter, Sophie Rois, Marie Rosa Tietjen, Copyright (C) Thomas Aurin

Die Aktricen sind auch deshalb durcheinander, weil sie nicht genau wissen, in welchem Stück sie auftreten: Im „Sommernachtstraum“? Oder im „Käthchen von Heilbronn“? (Das Bühnenbild hinter den beiden Vorhängen legt „Sommernachtstraum“ nahe, ein üppiger, dschungelhaft wuchernder Wundertheaterwald weidet die Augen. Bühnenbild: Barbara Steiner. – Ist aber nicht wirklich wichtig.) Nur eines scheint klar: Es gibt Konkurrenzen. Sie werden überlebensgroß, weil einig Schauspielerinnen von einer Videokamera aufgenommen und ihre Bilder ins Gigantische vergrößert an die Bühnenwand projiziert werden (Video: Ute Schall). Sophie Rois protestiert und schimpft – obwohl jeder, der ihre Laufbahn kennt, weiß, dass sie oft in solchen Videotheater-Inszenierungen (Volksbühne Berlin!) mitgespielt hat. Also diese Sophie Rois, die wir auf der Bühne sehen, ist nicht die wirkliche Sophie Rois. Oder? Nichts Genaues weiß man nicht, denn auch das Programmheft gibt keine verlässliche Auskunft. Dort steht ja meist links die Rolle, die ein Darsteller übernommen hat, rechts der Schauspieler, der sie verkörpert. Hier gibt es im Personenverzeichnis nur die Namen der Schauspieler. Davor steht: „Es spielen“. Was soll das heißen? Oder gar bedeuten?

Es ist schon so, wie der Titel sagt: „Probleme, Probleme, Probleme“. Viele werden angesprochen, keines   gelöst. Oder doch? René Pollesch ist ein radikaler Skeptiker. Er glaubt nicht daran, dass Theoretiker Rätsel lösen können, Die Theorien sind nur Bestandteil des Rätsels, das zu lösen sie vorgeben. Und für die Zuschauer bedeutet das: Verehrtes Publikum, wenn Sie glauben, wir (auf dem Theater) könnten hier Probleme lösen, der Regisseur, der Dramatiker, die Schauspielerinnen, so irren Sie sich gewaltig. Lassen Sie alle Hoffnung fahren!

Diese Erkenntnis ist gar nicht so schlecht und fährt naivem Optimismus, unkritischem Vertrauen in die Kunst in die Parade. Und das mit viel Humor. Die Vorstellung – nur fünf Viertelstunden – ist   sowohl kurz als auch kurzweilig. Es wird viel gelacht, der Beifall ist begeistert und will kein Ende nehmen. – Aber mal ganz ernsthaft,  trotz des unzweifelhaften Erfolgs, was bleibt, für die Künstler wie das Publikum, wenn Übermut und gute Laune verfliegen, sind Probleme, Probleme, Probleme.                                                                                        

Ulrich Fischer

Nächste Aufführung am  9., 20. und 24. 4.;  3., 14. und 23. 5. Spieldauer: ca. 1 1/4  Stunden.