Zu Simpel

 

„Parzival“ nach Wolfram von Eschenbach im Kölner Schauspiel

 

Befremdlich und fern wirkt der neue „Parzival“ auf Kölns Schauspielbühne. Die Geschichte vom tumben Tor provoziert, weil das   Versepos aus dem Mittelalter auf der Bühne voller Anachronismen ist – Gournemans, der Lehrer guter ritterlicher Sitten, z. B. hört Musik über Kopfhörer – nur noch am Rand wird an die Lektion von Parzival erinnert, die im Neoliberalismus unserer Tage längst über Bord gegangen ist: Anteilnahme ist eine Grundlage der Menschlichkeit. Stefan Bachmann (*1966), Kölns Intendant, schwächt in seiner Adaption von Wolfram von Eschenbachs (um 1170 – um 1220) epochalem „Parzival“ den didaktischen Kern – der Grund, weshalb er „Parzival“ inszeniert hat, ist schwer zu erkennen.

 

KÖLN. Stefan Bachmann greift im mit 25 810 Versen ausschweifenden Epos die Fabulierlust Wolfram von Eschenbachs auf – er rückt wichtige Episoden ins Zentrum. Bachmann beginnt die Bühnenadaption, die er mit seinem Dramaturgen Thomas Laue erarbeitet hat, mit Parzivals Herkunft, mit dem Schicksal seines Vaters. Parzivals Kindheit im Wald bildet einen ersten Schwerpunkt; seine Mutter Herzeloyde hat sich mit ihrem Jungen zurückgezogen, damit er nicht wie sein Vater Ritter wird und im Kampf sein Leben aufs Spiel setzt. Doch alle Vorsicht ist umsonst, Parzival trifft Ritter, erliegt ihrer Faszination und geht auf große Fahrt, besteht glänzend alle Abenteuer, versagt aber auf der Gralsburg – er zeigt keine Anteilnahme an den Qualen von Anfortas, dem Gralskönig – und muss weiterziehen, um Mitleid zu lernen. Was am Ende gelingt.

 

 

Vereinfacht

 

Doch eine Entwicklung, die als roter Faden hätte dienen können, fehlt im Depot 1, der Ausweichspielstätte des Kölner Schauspiels. Stattdessen reiht sich eine Episode an die andere, es wird ganz naiv erzählt. Bühnenbildner Simeon Meier hat ein Podium auf die Bühne gestellt, darüber eine Art Schachteldeckel, der von oben aus dem Schnürboden auf das Podium gesenkt werden kann. Wird er gehoben, wird ein Bild sichtbar. Anfangs, als Parzival noch ein Kind ist, bewegt sich Marek Harloff häufig auf dem Boden – die anderen Schauspieler werden nur bis zur Hüfte sichtbar. Diese Ausschnitte erinnern an Comic Strips und unterstreichen so noch einmal das Episodisch-Kindliche der Erzählweise. Das erscheint nicht nur vereinfachend, es wirkt simplifizierend, versimpelnd.

 

Marek Harloff trägt zunächst eine Art Windel, als Parzival mit der Mutter im Wald lebt; später, nachdem er Lektionen in der Kunst, ein Ritter zu sein, erhalten hat, tritt er im Frack auf. Esther Geremus hat treffende Kostüme entworfen, allerdings verwendet sie überwiegend heutige Kleider, mittelalterliche Elemente wie Kronen oder Schwerter sind die Ausnahme.

 

Fleißig, fleißig…

 

Die Schauspieler bewältigen riesige Textblöcke, meistens als Erzähler. Ihre Gedächtnisleistung nötigt Respekt ab, allerdings vermögen sie kaum zu fesseln, zumal die Comic-Strip-Bebilderung der gleichzeitig auftretenden Kollegen in großer Distanz zur Erzählung steht – Verfremdung ist ein wesentliches Mittel dieser Inszenierung.

 

Melanie Kretschmann tritt als Cundrie auf; sie hat einige Minuten Zeit zu improvisieren. Mit einem zottigen Fell bekleidet, kritisiert sie die Verhältnisse ihrer, aber auch unserer Zeit. Die Aktrice konturiert die Gralsbotin weniger als scharfsinnige Kritikerin ihrer Gesellschaft, eher als Gestörte; sie bringt Seitenhiebe auf das Publikum und Karin Beier unter, die ehemalige Intendantin von Kölns Schauspiel – aber was genau Cundrie keifend angreift, kommt nicht über die Rampe.

 

Das Stück endet gut wie das Versepos: Parzival erlöst durch seine einfühlsame Frage Anfortas, wird dessen Nachfolger als Gralskönig und heiratet. Dann erlöschen nach einem Kommentar die Scheinwerfer. – Der Kölner Bearbeitung fehlt ein Kern; sie zerfasert und wird vor allem wegen ihrer vereinfachenden Bilder dem mittelalterlichen Meisterwerk nicht gerecht.

 

Ulrich Fischer

 

Kartentelefon: 0221 221 28400 – Internet: www.schauspielkoeln.de

 

Aufführungen am 8., 11., 20., 27. und 28. Feb.; 6., 8., 13., 14.; 22. und 26. März. Spieldauer 2 Std. 10 Min.