Von Weltekel und Hoffnung


Uraufführung von Helene Hegemanns Roman- Dramatisierung „Bungalow“ in Düsseldorf
Von Günther Hennecke


Düsseldorf – Wut bestimmt Charlies Leben. Ihr Zuhause ist ein seelenloser Plattenbau. Kein Wunder, dass Mama an der Flasche hängt und Charlie wahrlich keinen Halt bietet. Und den „Bungalow“, Titel des dritten Buches der erst 27-jährigen Helene Hegemann, sieht sie vor sich wie eine Fata Morgana eines besseren Lebens.


Selbstverliebtes Künstlerpaar
Doch der Luxus scheint greifbar. Ein Künstlerpaar, ebenso selbstverliebt wie chaotisch, zieht in einen der Bungalows ein – und für die gerade einmal 13-Jährige beginnt eine Art Liebesgeschichte: Zuneigung, Aufstieg und freier Wille haben eine Chance. Ein Ausbruch aus dem Nichts scheint möglich. Und selbst die verhasste Mutter erlebt schließlich die Zuneigung ihrer so lange verbal aufmotzenden Tochter.


Mischung aus Lebensekel und Jugendwahn

Doch ehe es soweit ist, geht Charlie durch alle Psycho-Tiefen. Sie sieht die Welt vor die Hunde gehen, den dritten Weltkrieg vor der Tür – und sich selbst am Ende. In einer Mischung aus Lebensekel und Jugendwahn. Regisseur Simon Solberg, auch verantwortlich für die Bühnenfassung, hält die Szenen lange im Ungewissen. Charlie (Lea Ruckpaul) schreit ihren Ekel per Mikro über die Rampe, während Mama (Judith Rosmair), immer wieder mal ausrastend, von Wutausbrüchen und Vergesslichkeit geplagt, wie ein verwirrter Geist durch den Raum tobt. Mamas Ex und Charlies Vater (Florian Lange) gehören ebenso zu den Verlierern wie ihr einziger Freund Iskender (Jonas Friedrich Leonhardi).


Eine Welt in Skizzen
Wie verloren agieren sie am Rande der meist ins Halbdunkel getauchten Spielfläche, zeichnen mit Kreide und Farben Skizzen in den Raum, entwerfen Bilder, wirken wie Zufalls-Erscheinungen in einer nur skizzenhaft fassbaren Welt.


Charlies Sehnsuchtspaar
Lange tritt Simon Solbergs Inszenierung auf der Stelle, die anfangs kaum mehr als den Weltekel und den Ego-Hass Charlies und der Menschen sicht– und hörbar macht. Doch je länger der kurze Abend dauert, desto vielschichtiger und nachdenklicher gerät er. Das erwähnte Künstlerduo, das bereits immer wieder einmal über Videoaufnahmen „anwesend“ war, wird Charlies Sehnsucht-Paar. Bieten sie doch all das, was sie vermisst: Flirts und Partys, Freundschaft, Champagner und Sex. Wie von ihnen verhext, wird sie die Dritte im Bunde. Nun betonen Videoeinspielung ihr Dreier-Verhältnis. Doch Charlie will mehr: das Paar dominieren, aus dem Verhältnis als gestärkt hervorgehen. Sie will es „besitzen, verachten und wegschmeißen“. 


Verachtung mündet in Verständnis
Am Ende ist wenigstens eins erreicht: Die anfängliche Verachtung für die Mutter mündet in Verständnis, ja Liebe.
Kein überragender, aber ein konzentrierter Abend zum Auftakt der neuen Spielzeit in Düsseldorf. Übrigens zurück im ehrwürdigen  Schauspielhaus am Ende der Kö.
Düsseldorfer Schauspiel, Kleines Haus: Aufführungen am 26. September, 4., 11., 28. Oktober; 1 3/4 Stunden ohne Pause; www.dhaus.de