Tragisches Ende einer langen Reise

Luk Perceval inszeniert Eugene O‘Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ in Köln

Von Günther Hennecke

Köln – „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ ist wörtlich zu nehmen. Eugene O’Neills gleichnamiges Stück beginnt in den Morgenstunden eines August-Tages im Jahr 1912. Es endet in der Nacht desselben Tages. Es muss eine Qual gewesen sein. Doch Eugene quälte sich durch seine eigene Biografie – und heraus kam ein Stück, das freilich erst 16 Jahre nach seiner Entstehung 1940 uraufgeführt wurde. Nicht etwa in den USA, sondern in Stockholm 1956. Oscar Fritz Schuh brachte noch im selben Jahr in Berlin die Deutsche Erstaufführung auf die Bühne. Da war sein Autor bereits seit drei Jahren tot, mit 65 an einer Lungenentzündung gestorben. Lange zuvor hatte ihn bereits die Parkinsonsche Krankheit fest im Griff.

Theater zeigt, was es kann
Es gibt sie noch – die großen Bühnenereignisse. Abende, an den Theater zeigt, was es kann: Erschütterungen bewirken, Faszination für die Menschen auf der Bühne erzeugen. In Köln bewies Luk Perceval zudem, wie aktuell, wie mitreißend Stücke sein können, die vermeintlich der Vergangenheit angehören. Mit einer ebenso kühl sezierenden wie durch emotionale Ausbrüche und vor Stille berstenden Inszenierung von Eugene O’Neills „Reise-Stück“ am Kölner Schauspiel.

Radikal voneinander getrennte Räume

Dabei beginn es liebevoll, fast idyllisch, auch wenn die „Bruchbude“ ein cinemaskopisch breiter, fast steriler Raum ist. Fünf Zimmer sind nebeneinander gesetzt, einer Film-Sequenz gleich. Grell weiß sind sie, ohne jedes Innenleben und radikal voneinander isoliert. Wer den Raum wechselt, muss das über verborgene Kellerräume und die Rückseite der Zimmer tun. Meist ist freilich jede der vier Personen auf einen Raum fixiert. Nur selten treffen sie sich. Kaum je sehen sie sich in die Augen. Fremdheit und Distanz, erstorbene Liebe und Einsamkeit sind in grandiose Bilder gefügt. Geister scheinen sie, eine Familie von Untoten, oft nüchtern kommentiert und begleitet, Regieanweisungen gleich, vom Dienstmädchens Cathleen (Maria Schulter).
Grandios, wie Perceval auf der Klaviatur der zwischen Hass und Liebe, Beleidigungen und Lebenslügen balancierenden Story spielt. Einsamkeit wird spürbar, Panik bricht sich in überbordenden Ausbrüchen Bahn, die wenig später in sich zusammensacken. Sie lieben und sie hassen sich. An einem Theater-Abend, der all das bietet, was Theater vermag: Menschen erleben lassen, die Auge, Ohr und  Gefühle des Publikums erreichen.
Langer und intensiver Applaus.
Schauspiel Köln; 3 Std. inkl. Pause; Aufführungen: 17. November; 12.,14.,15.,29. Dezember
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„Eines langen Tages Reise in die Nacht“
Von Eugene O’Neill

Premiere: 15. November 2019
Schauspiel Köln

Regie: Luk Perceval
Bühne: Philip Bußmann
Kostüme: Katharina Beth
Licht: Mark van Denesse

Kurz und knapp: Ein Theaterabend der Extraklasse. Liebevoll und einfühlsam nimmt er die Menschen ernst. Percevals beweist mitreißend, dass Theater immer noch zupacken und zugleich sensibel sein kann.,