Licht nur im Dunkel des Schlafs

 

Jan Neumanns „Abschaffung der Nacht“ überzeugt als Uraufführung in Köln

 

Von Günther Hennecke

 

Köln – Es ist eine Steilvorlage wie im Bilderbuch. Dort, wo Kölns Schauspiel derzeit zuhause ist, begann die Vernetzung der Welt durch Telekommunikation. Denn die beiden Interims-Spielstätten im rechtsrheinischen Vorort Mülheim, zu zweifelhaftem Ruhm gelangt durch den NSU-Terror in der Keupstraße vor genau zehn Jahren, gehen in den Backstein-Hallen der ehemaligen Kabel-Firma Felten & Guilleaume auf Publikums-Fang.

Mit dem ersten, 1904 verlegten fast 8.000 Meter langen transatlantischen Telegraphenkabel nach New York, weltweit gelieferten Drahtseilen, Telefon-, TV-Netzen und Elektrotechnik wurde durch sie eine Welt gestaltet, in der sich die Nacht zunehmend zum Tage wandelte. Ein Segen, der zum Fluch wurde, die Nächte verkürzt – und damit die Rückzugsräume selbstbestimmter Zeit und persönlicher Privatheit zunehmend einengt. Bis zu deren Strangulierung, für die die erzwungene Dauerpräsenz elektronischer Geräte beredt Zeugnis ablegt.

Vor dieser optisch wie atmosphärisch erlebbaren Folie entstand Jan Neumanns Stück „Die Abschaffung der Nacht“. Dank der bilderreichen Ideen und der umwerfenden Wandlungsfähigkeit seines Darsteller-Quintetts gelang ein ebenso skurriler wie nachdenklicher Theaterabend, mal überdreht und verrückt, dann wieder anrührend und in sich gekehrt. Knappe Berichte, eine Art Skelett des Abends, bieten kurze Einblicke in die Geschichte der durch F & G mitgestalteten globalen Kommunikation. Bedeutsamer, oft von ebenso umwerfender Hektik wie überbordender Komik getrieben, nicht selten in Slapstick wie bösem Sarkasmus versinkend, entwickelt sich die Geschichte zunehmender Versklavung durch die Medien. Das muss man in dieser Radikalität, die freilich nie ins Ideologische abrutscht, nicht teilen. Zum nachdenklichen Innehalten führt sie allemal.

„Ich bin nur hier, um die Dunkelheit zu retten“ gehört zu den Sätzen, die stutzen lassen, aber bewusst gegen den Mainstream steuern. Ein Anderer beschwört den „andauernden Übergang, und ich mitten, drin“. Inmitten des alltäglichen Mediengewitters. Keine Zeit der Ruhe in einer Welt, in der permanente Erreichbarkeit erwartet wird.

Es ist das Florett, durchsetzt mit irren Slapstick-Einlagen, mit denen Jan Neumann und Dirk Kummers filmische Schlafschnipsel in Dorothee Curios wild zusammengewürfeltem Bühnen-Chaos das Hohelied auf die Langsamkeit singen – mit oft überdrehten Mitteln. Und wenn die Regie die Uraufführungs-Inszenierung damit enden lässt, dass eine Frau nach dem Besuch des Carlswerks über eine nahe Rheinbrücke geht, deren Stahltrossen „vor Jahrzehnten in diesem Werk hergestellt“ wurden – gemeint ist die real existierende Mülheimer Hänge-Brücke -, wird die Ambivalenz des Themas schlagartig deutlich. Wenn während der Vorstellung zudem das Dröhnen landender Flugzeuge in die einstige Fabrik- und heutige Theaterhalle dringt, passt auch das bestens zu dieser Ambivalenz.

Aufführungen: 13. März; 2., 21. April; Karten: o221-221 28 400; 90 Minuten ohne Pause; www.schauspielkoeln.de