Schade

Roberto Ciulli ehren

Roberto Ciulli

Die beiden neuen Bücher über Roberto Ciulli (*1934) wiegen schwer: fast drei Kilo. Ein Ziegelstein und ein halber. Die Bände haben eine schlichte Anmutung: Pappe. Blau und Rot. Der rote erste Band ist am interessantesten wegen der AutoBiographie Ciullis. In ihrem Vorwort schreiben Alexander Wewerka und  Jonas Tinius: „Das Theater an der Ruhr hat in einer mittleren Ruhrgebietsstadt am Rand der feuilletonistischen Wahrnehmung eine Alternative zum herkömmlichen Stadttheater realisiert, die in der jüngeren europäischen Theatergeschichte auf diesem hohen strukturellen wie inhaltlichen Niveau schwerlich ein zweites Mal zu finden sein dürfte.“ – Die beiden Herausgeber verschweigen mehr das zentrale Problem mit Ciulli als es anzusprechen. Ein Theatermann, der durch seine hohe Begabung und seine stupende Reflexionsfähigkeit zur Spitze gehört – landet am Rand. Mülheim ist Peripherie – das deutsche Theatersystem begünstigt das Mittelmaß.

Die beiden Herausgeber beteuern: „Die vorliegende Dokumentation in zwei Bänden möchte diesem ungewöhnlichen und radikalen Projekt und seinem ganz besonderen Erfinder und Motor ein Denkmal in Buchform setzen …“. Das beschreibt das Problem: ein Denkmal ist zu groß und schwer, um es zu lesen. Die Ehre, die Ciulli erwiesen werden soll, ist aller Ehren wert. Doch Ciulli, ein brillanter Analytiker, zeichnet sich in seinen luziden Inszenierungen und prägnanten Gesprächen gerade dadurch aus, dass er schlafwandlerisch sicher den zentralen Punkt findet und in wenigen klaren, erhellenden Worten/Szenen benennt. Zwei Bände – da hat jemand Ciulli gründlich missverstanden.

Die Backsteine sind was für Theaterwissenschaftler, und Freunde mögen darin blättern und stöbern. Vermutlich ist das Schicksal der schweren Ehrengabe, im Regal wissenschaftlicher Sammlungen zu verstauben. An der Peripherie.

Schade.

                                                                                           

Der Fremde Blick. Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr. Gespräche, Texte, Fotos, Material. Herausgegeben von Alexander Wewerka und Jonas Tinius. Berlin 2020. 1280 Seiten mit  450 Abb.  kosten 35,00 €.