Rastloses Leben fürs Theater


Hansgünther Heyme wird 85


Von Günther Hennecke

Köln – Als er 1968 von Wiesbaden nach Köln wechselte, hatte er bereits, mit der Inszenierung von Peter Weiss’ „Marat/Sade“, erstmals den deutschsprachigen Theater-Olymp erklommen. Vier weitere Einladungen zum „Berliner Theatertreffen“ sollten folgen: Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ aus Köln 1973, mit Friedrich Schillers „Demetrius“ und Lessings „Nathan“ 1983 gleich zwei Inszenierungen, zudem Schillers „Tell“ im Jahr 1985. Neben Peter Stein hatte sich der in Bad Mergentheim geborene Heyme sehr bald den Ruf eines herausragenden Vertreters des Regietheaters erworben.


Seine Arbeiten mit dem Bildhauer und Happening-Künstler Wolf Vostell in seiner Zeit als Chef in Köln sind für Heyme  noch heute „Höhepunkte“ seiner Theaterarbeit, wie er erst kürzlich in einem Interview bekannte. In seinem „Medienhamlet“, 1979 in Szene gesetzt, „beherrschten“, so Heyme heute,  „über 100 Glotzen die Szene“, und „Kameras und Mikroports interpretierten die Schizophrenie eines kaum noch vorhandenen Miteinanders“.


Es war die Zeit heftigster Auseinandersetzungen der Regie-Berserker  mit dem Publikum. Dass selbst Hölderlins „Empedokles“ visuell völlig neu zu erleben war, brachte freilich auch neues Leben ins Theater der 70-er-Jahre. So wie in Köln, wo der Regisseur Heyme als sein eigener Schauspieler „das philosophische Monster verkörperte, das in einem Glaskasten über dem Ensemble schwebte.“


Es war aber auch in Köln, wo der Regie-Exzentriker Heyme dieser Jahre so intensiv mit Wolfgang Schadewaldt, dem genialen Übersetzer klassischer griechischer Tragödien,  kooperierte, dass die Antike geradezu eine Theater-Renaissance erfuhr.


Stuttgart, wo er Peymann 1979 folgte, reihte sich ein in Heymes Reise durch die Theater-Republik. Von 1985 bis 1992 war er Chef in Essen; und während dieser Jahre, von 1990 bis 2003, auch Leiter der „Ruhrfestspiele“, die er aus einem Tief heraus wieder in auch international beachtete Höhen geführt hat.


Es folgte eine kurze, eher unglücklich verlaufene Zeit in Bremen. Von 2003 bis 2014 leitete er schließlich das Ludwigshafener Theater im Pfalzbau.


Seitdem ist Heyme ungebunden, inszenierte  etwa Sophokles‘ „Antigone“ in Kalkutta, Euripides‘ „Medea“ in Taschkent und Sophokles‘ „Elektra“ in Zagreb.


Loslassen kann und will er offensichtlich noch immer nicht, und für Überraschungen ist er auch immer noch gut: Zusammen mit dem auch International hoch angesehenen Pantomimen Milan Sladek erarbeitet er zur Zeit „Das Leben und der Tod des Königs Lear“ – „nach William Shakespeare, Fassung von Hansgünther Heyme für Milan Sladek“. In der von Heyme gesprochenen Übersetzung von Martin Wieland.


Auf die Frage, was ihm „Theater bedeute“, antwortete Heyme in dem bereits erwähnten Interview ungewöhnlich kurz und knapp: „Alles! Neben meinen Kindern“.


Hansgünther Heyme wird am 22. August 2020 85 Jahre alt.

Herzlichen Glückwunsch!