Zur Lage der Frau in Japan

Mieko Kawakami – „Brüste und Eier“

Mieko Kawakami, bei uns bislang wenig bekannt, ist in ihrer Heimat Japan eine namhafte Schriftstellerin; sie hat sich mit ihrem Roman „Brüste und Eier“ (als Novelle schon 2008) durchgesetzt. In den Mittelpunkt rückt die Autorin eine Dreißigjährige, die nach Tokyo gezogen ist, um Schriftstellerin zu werden – sie hat schon publiziert, aber der Roman, an dem Natsuko jetzt arbeitet, kommt nicht recht voran.

Mieko Kawakami

Kein Wunder, Blockaden aller Art suchen die Schriftstellerin  heim. Armut in ihrer Kindheit behinderte ihre Entwicklung, der Vater hat die Familie verlassen –   hier hat Natsukos Entfremdung Männern gegenüber, die sich zu Hass, Angst und Abscheu auswächst, ihre Wurzel. Eine Ehe war unglücklich und scheiterte rasch. Natsuko will einerseits allein bleiben, aber sie möchte andererseits ein Kind. Sie informiert sich (und uns, die Leser) ausführlich über die Möglichkeiten einer künstlichen Befruchtung in Japan. Sie schreckt davor zurück – und findet zum Schluss einen verständnis- und rücksichtsvollen Mann, der ein Kind mit ihr zeugt und sich gleichzeitig mit der Distanz, die Natsuko fordert, einverstanden erklärt.

Das Buch endet mit einem erzählerisch exzellenten Höhepunkt – der Beschreibung der Geburt – Mieko Kawakami schildert expressiv die Schmerzen, die ihre Heldin schier zerreißen – aber auch den Moment des Glücks, als sie ihr Baby auf die Brust gelegt bekommt.

Neben Natsukos Leben beschreibt Mieko Kawakami auch das ihrer Schwester und Nichte, von Freundinnen und skurrilen Zeitgenossen, so dass sich der Roman zum Panorama über die Lage von Frauen im modernen Japan weitet. Sie sind unterdrückt, die Männerdominanz weit(er)hin als selbstverständlich hingenommen, wirkt bis tief ins Seelenleben der Frauen. Ihr Unglück spricht sich vor allem im Widerwillen gegen körperlichen Kontakt, gegen Sex aus. Der Roman klagt die Phallokratie wie die Unwissenheit vieler Frauen an und klärt gleichzeitig auf. Der Titel „Brüste und Eier“ klingt reißerisch, ist aber treffend gewählt: die Worte, mit dem Stigma der Gossensprache belastet, sollen in ein Gebiet vordringen, das bislang tabuisiert ist.

Der Roman ist nicht leicht zu lesen, obwohl Katja Busson kompetent übersetzt hat. Aber viele Ortsnamen, Bezeichnungen von Speisen bleiben unzugänglich – der Verlag (DuMont) hätte ein Stichwortverzeichnis  und eine Japankarte beifügen sollen.  

Haruki Murakami rühmt: »So großartig, dass es mir den Atem raubt.«  Das scheint mir übertrieben. Trotzdem lohnt die Lektüre, auch und gerade für Männer: eine Expedition in unbekannte  und nachtdunkle Tiefen des Weiblichen.

                                                                                               Ulrich Fischer

Mieko Kawakami: Brüste und Eier. Roman. DuMont. E-Book. 496 S. kosten 19,99 €.