Clarté

Michel Houellebecqs „Ein bisschen schlechter“

Michel Houellebecqs „Ein bisschen schlechter“ ist erst mal eine Enttäuschung – kein neuer Roman, statt dessen Aufsätze – dazu noch nur ein dünnes Bändchen, 202 Seiten, viele davon weiß – großzügig gestaltet, mit einem roten Bändchen als Lesezeichen – das versöhnt ein wenig.

© Philippe Matsas/ Flammarion: Michel Houellebecq

„Ein bisschen schlechter“ bezieht sich auf Reflexionen über unsere Pandemie. Houellebecq widerspricht der Ansicht, nach der Pandemie werde alles anders. Nein: „Wir werden nach der Ausgangssperre nicht in einer neuen Welt erwachen“, schreibt er, „es wird dieselbe sein, nur ein bisschen schlechter“. Begründung: Es sei noch nie mit solcher „Schamlosigkeit“ ausgesprochen worden, dass nicht jedes Leben gleich viel wert sei, dass es von einem gewissen Alter an (70, 75, 80 Jahre?) in etwa so sei „als wäre man bereits tot.“

Houellebecq glaubt nicht an Gott, würde es aber gern. Überraschend die Überlegungen zur katholischen Kirche, er wünscht ihr mehr Autorität, hat aber auch da wenig Hoffnung. Er bleibt eine Bewertung des Missbrauchs schuldig – dabei ist der Verlust von Autorität mit der Schändung von Kindern verbunden, auch und insbesondere mit den unsäglichen Vertuschungsversuchen der Oberen.

Verblüffend der Aufsatz über Donald Trump. Schon die Überschrift provoziert und macht neugierig: „Donald Trump ist ein guter Präsident“. Die Begründung ist schwer zu widerlegen: Der Präsident hat keinen neuen Krieg begonnen und holt   amerikanische Soldaten nach Haus zurück. Das begrüßt Houellebecq: „… ich habe den Eindruck, dass die USA schon ziemlich lange keinen Krieg mehr gewonnen haben und dass ihre militärischen Interventionen (offen oder verdeckt) im Ausland seit mindestens fünfzig Jahren eine Aneinanderreihung durch Fehlschläge gekrönter Schandtaten gewesen sind.“

„Schandtaten“ – Houellebecq spricht offen, eine seiner überragenden Tugenden; er schaut tiefer – daher lohnt die Lektüre. Autoren, Schriftsteller, Poeten, Dichter zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Dinge klarer sehen und aussprechen, weiter blicken als wir Durchschnittsmenschen. Franzosen haben mit der clarté ihrer Sprache einen Vorteil gegenüber unserem Deutsch –   Stephan Kleiner weiß, diesen Vorteil des Französischen in seiner deutschen Übersetzung zu wahren. Houellebecq stellt sich in eine Reihe französischer großer Geister durch vor allem eine Tugend: Scharfsinn!

                                                                                              Ulrich Fischer

Michel Houellebecq Ein bisschen schlechter. Aus dem Französischen von Stephan Kleiner. 202 S., die Printausgabe kostet wie das e-Book 23,00 €.