Brillant

John von Düffel: Wasser und andere Welten

John von Düffel war am Anfang seiner steilen Karriere Theaterkritiker – er hätte es spielend an die Spitze geschafft, hätte er es nicht vorgezogen, Professor zu werden und Dramaturg. Sein Essay Grenzgänger der Mitte in seinem   bei DuMont erscheinen Aufsatzbändchen Wasser und andere Welten ist brillant, ein Kleinod für ein Spitzenblatt. Düffel verbindet eine kritische Gesellschaftsanalyse mit der Frage, was die „Atomisierung der Mitte“, die er konstatiert,  für das Theater bedeutet: „Einer der elementarsten Konflikte des Dramas entfällt. Der Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft verliert sich im Kampf aller gegen alle. Und mit dem Verlust dieses gesellschaftlichen Widerstands verändert oder verliert sich auch das Individuum. Die Mitte, einst Hort der Bürgerlichkeit, wird zu einer vorsozialen Arena, in der es nur zweierlei gibt: unerbittlichen Existenzkampf oder völliges Verschwinden.“

Der Aufsatz glänzt mit provozierenden Thesen, bis zur Zitierfähigkeit (knapp vor dem Aphorismus) geschliffen. Düffel liefert eine Dramaturgie für seine Stücke. Romane schreibt er zusätzlich. Er arbeitet nicht nur am Deutschen Theater, sondern ist auch noch Professor für szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin – (hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, er habe seine begabtesten Studenten in den Verliesen des Deutschen Theaters direkt unter der Hauptbühne an Schreibtische gekettet, wo sie für ihn schuften müssten und nur Aristoteles zu essen bekämen und Brecht zum Trinken.  Das ist die QAnon-Version.)

Aber Düffel ist nicht nur DramaturgDramatikerRomancier, sondern auch Schwimmer. Er hat ein ähnlich schmales Bändchen (Schwimmen, 2000) vorgelegt – wunderbar. In Wasser und andere Welten gibt es, wie der Titel verspricht, Schwimm- und Wasser-Ergänzungen, aber sie sind nicht alle gelungen, teilweise angestrengt – und bei einer Glosse zum Thema Bade- und Unterhose fehlt zündender Humor. Aber diese Einwände sind Korinthen – schon allein wegen Grenzgänger der Mitte lohnt die Lektüre.

Hoffentlich kommt bald der nächste Roman.                                                                                                                                            Ulrich Fischer

John von Düffel: Wasser und andere Welten.  Köln, DuMont, 136 S., 7,99 € .