Menschen & Schimpansen

T.C.Boyle: Sprich mit mir

„Sprich mit mir“ nennt T.C. Boyle seinen neuen Roman – der Titel umreißt das Kernproblem. Guy, Assistenzprofessor an einer kleinen amerikanischen Universität, betreut für seinen Chef, eine namhafte Koryphäe, ein Projekt: Können Schimpansen Sprache lernen, können sie mit Menschen kommunizieren, können Sie das Erlernte an ihre Kinder weitergeben?

T. C. Boyle

Sam wurde als Schimpansenbaby seiner Mutter entrissen, nachdem sie  mit einer Betäubungspistole außer Gefecht gesetzt worden warworden war.  Der kleine Schimpanse, Sam genannt, kam zu Guy, der die Betreuung von Sam seiner Freundin übergab. Die, überfordert, verließ Mann und Sam – ein Glück. Denn jetzt wurde Aimee  Sams Betreuerin. Sie wandte sich  mit ganzem Herzen und ganzer Seele ihrem Schimpansen zu – und Sam lernte, über alle Erwartung. Am Schluss steht die Erkenntnis: Sam „war kein Mensch, aber auch kein Tier, sondern etwas dazwischen…“

T.C.Boyle exzelliert in Perspektivwechseln, Guy und Aimee, das ist konventionell, aber bei Sam wird es schwieriger. Wie denkt, assoziiert, empfindet ein Schimpanse? Boyle meistert die Aufgabe überzeugend,  behandelt das Hauptthema, die Diskrepanz zwischen Mensch und Tier, mit Tiefgang und Humor. Das können sie, die Amerikaner: schwere Themen und Unterhaltung ist für sie kein Widerspruch.

Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Guys Chef den Abbruch des Experiments anordnet, weil die Forschungsmittel stocken. Sam wird in einen Affenstall gesperrt zu anderen Affen und regrediert, er leidet in Einzelhaft, Dunkelheit und bestialischem Gestank. Hier verankert Boyle seine Anklage: Was treiben wir mit unseren Mitgeschöpfen? Sam spricht mit uns, bittet, fordert, fleht: „Sprich mit mir!“

Aimee befreit Sam und flieht mit ihm. Der Professor sieht im Schimpansen seinen Besitz, ein Gut, eine Sache. Er verfolgt Aimee. Guy ist in Opposition, passt sich aber an, weil er Karriere machen will, ein abscheulicher Opportunist der alten Schule, und nur Aimee erweist sich des  in sie gesetzten Vertrauens würdig. Das wird sie teuer zu stehen kommen.

T.C. Boyle ist ein Meisterwerk gelungen, ein Plädoyer gegen die bestehende Ordnung, die menschliche Anmaßung, unsere Mitgeschöpfe wie Dinge zu behandeln, zu misshandeln, auszubeuten. Er will uns die Augen öffnen, unsere Erkenntnisse erweitern und unser Bewusstsein verändern.

Ein engagiertes Buch. Unbedingt lesen!

                                                                           Ulrich Fischer

T. C. Boyle: Sprich mit mir. Roman, 349 S., Hanser – Hardcover 25,00 €;  e-Book 18,99€.