Heidi Klum vom Theater seziert

 

Martin Heckmanns‘ „Es wird einmal“ in Bochum uraufgeführt

Es wird einmal

BOCHUM.  Martin Heckmanns wählt für sein  neues Stück „Es wird einmal“ als zentrales Thema: Leben und Kunst, ein Unterthema ist Alt und Neu. In einer Schlüsselszene konfrontiert Heckmanns Jung und Alt, modernes und konventionelles Theater. Neumann – der Name sagt es schon,- steht für das Neue, er ist der junge Schauspieler, ein Performer. In einem langen Monolog erklärt er, was das sein soll, ein „Performer“. Doch je länger der Monolog sich hinzieht, desto unklarer wird der Begriff.  Der Monolog ist mehr Aufzählung von Möglichkeiten als Definition – und zeigt mit der Unschärfe eine Schwäche des Begriffs, der Performance selbst und des Performers.

 

Die Performance

 

Gleichzeitig bietet der Monolog  auf der Bühne die Möglichkeit für den Darsteller wie für den Regisseur, Neumanns Auftritt szenisch so zu gestalten, dass sichtbar wird, was „Performance“ ist – leider erweisen sich weder Regisseur Anselm Weber noch Matthias Kelle als Performer Neumann dieser Herausforderung gewachsen.  Anstatt den Text in aller Ruhe auszubreiten, gerät Neumann in Rage, Matthias Kelle eilt von einem Crescendo zum nächsten,  er forciert Tempo und Lautstärke   unnötig   – die Verständlichkeit fällt einer leerlaufenden Theatralik zum Opfer.

 

Schade, denn die Performerei ist interessant, weil sie sich auf deutschen Bühnen so weit verbreitet. Sie wirkt wie das Gegenteil von Brechts Verfremdungseffekt. Beim Verfremdungseffekt trennt sich der Schauspieler von seiner Figur. Statt mit ihr zu verschmelzen, zeigt er sie. Die Distanz zwischen Schauspieler und Figur ist groß, merkbar, der Zuschauer kann leicht unterscheiden. –  Bei der Performance nähert sich der Darsteller seiner Figur an, wobei es besser heißen müsste, die Figur wird möglichst nahe an den Darsteller herangerückt.  Es entsteht der Eindruck, als sei der Darsteller die Figur – aber als Darsteller. Neumann verwandelt sich nicht in Karl Moor, sondern Neumann bekommt eine Figur Neumann. Wenn Neumann Schauspieler ist, ist auch die Figur, die er spielt, Schauspieler; ist Neumann Performer ist die Figur, die er darstellt, Performer.

 

Von all dem ist aber nur die Rede, zu sehen ist aufgeregtes Wirrwarr, die Szene haucht ihren philosophischen Atem aus, weil der Regisseur offenbar fürchtet, das Stück könne zu undramatisch sein – eine nicht unbegründete Sorge. Obwohl einiges geschieht:

 

Heidi Klum und Helmut Kohl

 

Heidi Klum tritt auf,  Helmut Kohl,  allegorische Figuren. Schauspieler spielen Schauspieler und ganz normale Menschen in Bochums Kammerspiel. Heidi Klum verkörpert die Schönheit, bei Heckmanns wirkt sie ein bisschen beschränkt: Auf den Erfolg. Frau muss sich anpassen: „Die Mädchen und die Medien, die wollen das so. Die lieben den Wettbewerb und die challenge und das Spektakel. Die zeigen sich gern in Unterwäsche“ heißt es im Stück. –  Die Schönheit in unserer Epoche des Neoliberalismus hat kein Herz. Helmut Kohl erscheint zwar wie in seinen besten Jahren dick und rund, aber überraschend bescheiden. Heckmann lässt den (Alt)Kanzler klug, ja weise über die Grenzen politischer Macht philosophieren. Obwohl sich bei der Uraufführung am Samstagabend in Bochums Kammerspiel die schwere philosophische Fracht nur selten mit dramatischer Phantasie oder gar Kurzweil verband, schien das Publikum zufrieden: Der Schlussbeifall, zu dem sich der Dramatiker mit dem Ensemble gemeinsam verneigte, war üppig und einhellig.

 

Einmal ist von „Jedermann“ die Rede – wie in Hugo von Hofmannsthals gliechnamiugen „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ geht es um  die richtigen Maßstäbe für ein menschliches Leben. Anders als in Hofmannsthals katholischem Lehrstück ist Martin Heckmanns aber   nicht religiös. Er zweifelt an einem Jenseits und Gott. Wie ist unter solchen Voraussetzungen das richtige Leben zu finden?

 

 

Richtig leben!

 

 

Diese Nachdenklichkeit rückte Anselm Weber, Bochums Schauspielintendant, ins Zentrum seiner Uraufführungsinszenierung. Das Leben ist einmalig und kurz, wir sollten uns nicht einreden lassen, es sei wertlos, sondern jeden Augenblick nutzen, ja auskosten. Dieser Schwerpunkt ist besser geglückt als andere Passagen, insbesondere die über die „Performance“.

 

Das Schauspiel ist, wenn auch philosophisch schwer befrachtet, besser als die Uraufführung. Vielleicht gelingt ein Nachspiel, das sich mehr Zeit, mehr Gelassenheit gönnt, besser: „Es wird einmal“, verspricht ja schon der Titel.

 

Ulrich Fischer

 

Aufführungen am 18. und 22. Dez.; 12.  und 18. Jan. – Spieldauer: knapp 2 Std.

 

Internet: www.schauspielhausbochum.de – Kartentelefon: 0234 33 33 55 55