Mitreißende Jazz-Töne zu Shakespeares Sonetten

Mitreißende Jazz-Töne zu Shakespeares Sonetten

Die Heidelbergerin Caroll Vanwelden beim 27. Neusser „Shakespeare-Festival“ umjubelt

Von Günther Hennecke

Neuss – Es war eine gelungene Uraufführung. Zudem ein ebenso feiner wie mitreißender Höhe- und Schlusspunkt des 27. und einzigen deutschen „Shakespeare-Festivals“  – im römisch-rheinischen Neuss. Sehr blond und charmant, hat sie stets ein gewinnendes Lächeln im Gesicht. Selbst dann, wenn’s um verratene Liebe und Treulosigkeit, Tod und Vergänglichkeit geht. So blond, dass man ihr die „schwarze“ Stimme, die diesem Gesicht Charakter verleiht, kaum zutraut. Es ist die variable Jazz-Stimme der 1971 im belgischen Gent geborenen Caroll Vanwelden, die seit sechs Jahren mit ihrer Familie Heidelberg beglückt.

Beglückt waren Im Neusser „Globe“, einem verkleinerten Nachbau des Londoner „Globe“, auch die 400 Besucher, nachdem und während die 46-Jährige, gemeinsam mit einem blendend auf die Themen eingestellten Musiker-Quartett, 15 (der insgesamt 154 Sonette Shakespeares) zu emotionalen Höhepunkten verhalf.

Die Wahl-Heidelbergerin hat sich mit Sonetten des Elisbethaners freilich nicht zum ersten Mal erfolgreich auf eine Bühne begeben. Mit ihrer nun dritten CD, die sie in Neuss als Premiere zum Life-Erlebnis werden ließ, hat sie eine „Trilogie“ abgeschlossen –  nach 2012 und 2014 als letztes Glanzstück. Diesmal „mit den besten und bekanntesten Sonetten“, wie sie meinte, die „bis zu dieser dritten Präsentation warten mussten“.

Es geht um Eifersucht und Tod, um die alles besiegende ewige Liebe, um schwarze Augen und Haare der Geliebten im Sonnet 127, die der ungeliebten Farbe Schwarz plötzlich ganz neue Aspekte abgewinnt. Im Sonett 71 tröstet Shakespeare einen jungen Freund, falls er selbst nicht mehr leben sollte. Der eigenen Untreue verleiht er im Sonnet 110 eine ganz eigene Dimension und Logik. Hat er dabei doch erlebt, welchen Wert er damit verletzt hat – und liebt nun umso intensiver.

Ironie, ja Sarkasmus strömen aus Shakespeares Sonetten ebenso kräftig wie tiefste Melancholie und Trauer über die Vergänglichkeit des Lebens. Wie ungerecht  der Tod doch sei, besingt er im Sonett 66. Schließlich sei die Geliebte, dann  ohne ihn, unbeschützt ganz allein auf dieser „schrecklichen Welt“.

Caroll Vanwelden gewinnt den Themen, ob melancholisch oder tief ironisch, ebenso zärtliche wie metallen raue Töne ab. Mit Bravour und großer Souveränität lässt sie Shakespeares wohl persönlichsten Bekenntnisse aufblühen. Dabei hat sie, die selbst am Klavier sitzt, beste Mitstreiter, die sich in die emotionalen Windungen der Sonette und Vanweldens Interpretationen bestens einzuschmiegen vermögen. Nicht selten hält sich die Jazzerin sogar ganz zurück und überlässt ihrem Quartett – Thomas Sifflings Trompete und Flügelhorn, Mini Schulz‘ Kontrabass, Jens Düppes Drums und Percussion und Hans van Oosts Gitarre – das Feld. Sie kann gut und lange schweigen. Um wenig später die Texte zu zerpflücken – und grandios wieder zusammenzufügen.

Ein einfühlsamer und musikalisch äußerst überzeugender Abend, dem der Autor, so ist zu vermuten, sicherlich genauso zugejubelt hätte wie das spürbar animierte und sachkundige Publikum.

Die CD “Shakespeare Sonnets 3.0“, in Neuss zur Uraufführung gebracht, erscheint offiziell erst am 21. Juli 2017.