Gegen den Krieg

Duncan Macmillans „The Forbidden Zone“ in Salzburg uraufgeführt

 

SALZBURG. Duncan Macmillan hat mit „The Forbidden Zone“ ein Antikriegsstück geschrieben. Im Zentrum steht Claire Haber, eine junge Wissenschaftlerin. Sie arbeitet nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Institut in Chicago, das sich mit Forschung gegen Giftgas beschäftigt – als sie 1949 in eine Krise gerät. In einer Zeitung liest sie eine Meldung über ihren Großvater, Fritz Haber, den berühmten Nobelpreisträger,  der Düngemittel erfand und den Hunger bekämpfte. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Entwicklung von Giftgas mit.

 

Jetzt behauptet die Zeitung, diese Forschung habe Grundlagen geliefert für die spätere Produktion von Zyklon B, dem Gift, mit dem in deutschen Konzentrationslagern massenweise Menschen vergast wurden.

 

Die junge Frau gerät aus dem Gleichgewicht. Sie erinnert sich an ihre Großmutter, Clara Immerwahr, die mit ihrem Mann, mit Fritz Haber, in schwere Konflikte kam, als der sich für die Giftgasforschung entschied. Schließlich setzte Klara Immerwahr, aus Protest, meint Claire, ihrem Leben ein Ende, Clara Immerwahr erschoss sich.

 

Fritz Haber wollte, dass das Giftgas als Waffe den Krieg und damit das Leid verkürzen sollte. Doch statt des raschen deutschen Siegs kam die Niederlage und später, sofern die Zeitung recht haben sollte, das neue  Massenvernichtungsmittel, Zyklon B. Claire fühlt sich selbst betroffen, sie entschließt sich, wie ihre Großmutter, aus dem Leben zu scheiden, und vergiftet sich.

 

Katie Mitchell hat inszeniert, ihr geht es, wie fast immer, um die innere Realität der Figuren. Ein U-Bahn-Modell in einem Filmstudio dominiert die Bühne, darüber eine riesige Leinwand. Im Filmstudio arbeiten fünf  Kameraleute, ihre Bilder werden projiziert und heben hervor, was Claire wichtig erscheint. Zu Anfang wird eine Maus seziert, nachdem sie für ein Experiment mit Giftgas ihr Leben gelassen hat. Auf einer normalen Theaterbühne würde man die Maus als Zuschauer kaum sehen können. Eine Kamera kann sie indes überlebensgroß auf die Leinwand projizieren: Man sieht den Kadaver an allen vier Pfoten aufgespießt, mit dem Skalpell ausgeschnitten, das Innere dem Forscherauge dargeboten. Die Maus sieht aus wie gekreuzigt, der Hinweis auf Jesus ist gewollt.

 

Die Handlung verliert an Gewicht gegenüber dem subjektiven Empfinden der Figuren, die Inszenierung betont die Diskrepanz zwischen objektivem Zeitablauf uns subjektivem Zeitempfinden. Die wenigen Minuten zwischen dem Entschluss, sich das Leben zu nehmen und der Tat dehnen sich – Clara Immerwahr zögert, ehe sie sich erschießt und auch Claire, ihre Enkelin, schreckt noch einmal zurück,bevor sie das Gift trinkt.

 

Ein Soldat wird gezeigt, Opfer eines Giftgasangriffs, und die beiden Frauen können sich nicht erklären, wieso es trotz des unerhörten Leids immer weiter geht mit der Entwicklung neuer monströser Waffen – sie sind entmutigt, tief deprimiert, sie verzweifeln, Kampf scheint ihnen aussichtslos, vergeblich, wohl deshalb nehmen sie sich das Leben.

 

Die Wirkung ist stark – ein Appell, endlich mit der Waffenoptimierung aufzuhören. Nichts wird beschönigt – Bestandteile der Realität, herausgehoben durch die Vergrößerung, verwandeln sich in Symbole. Claire bringt sich in einer Damentoilette um: die trostlose Umgebung, das Klo wird zum Bild für eine trostlose Welt.

 

Stück wie Inszenierung sind ein leidenschaftlicher Appell gegen den Krieg, gegen die Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung. Der Ernst der Aufführung   überzeugt. Diese Aufführung stellt sich ganz in den Dienst einer guten Sache, sie ficht für den Pazifismus – mit Nachdruck, ohne Kompromissbereitschaft.

 

Trotz der Tragödie mit den zwei Selbstmorden gibt die Inszenierung Hoffnung: Die Zusammenarbeit von britischen und deutschen Künstlern – die Schaubühne aus Berlin kooperiert mit den Salzburger Festspielen und einer englischen Company – ist das genaue Gegenteil der Feindschaft von Briten und Deutschen im Ersten Weltkrieg.   Menschen können aus Fehlern lernen – auf diesen Silberstreif am Horizont setzten Katie Mitchell und ihre Mitarbeiter – das  Publikum reagiert mit Konzentration während der nur 72 Minuten langen Aufführung und mit nicht enden wollendem Applaus.

 

Das Ensemble spielt makellos auf hohem Niveau, allen voran  Jenny König als Claire Haber – das Stück und die Inszenierung, das Bühnenbild und die Filmelemente, die Kostüme und die zu Symbolen erhobenen Details aus dem täglichen Leben – alles passt ineinander und zueinander, eine Inszenierung aus einem Guss.

 

Ein engagiertes, feministisches und pazifistisches Meisterwerk.

Ulrich Fischer

 

Auff.: 2., 3.,  5., 7., 9. und 10. Aug.

Internet: www.salzburgfestival.at