Kurzgeschichten von Hilary Mantel bei DuMont
Hilary Mantel gilt der Sonntagszeitung als „zur Zeit wohl beste Erzählerin“. Die Britin hat den Booker-Preis bekommen, gleich zwei Mal – und zu Recht. Ihre historischen Romane über die Tudor-Zeit („Wölfe“, „Falken“) sind atemberaubend .
Jetzt veröffentlicht DuMont zehn Kurzgeschichten von ihr. Die titelgebende „Ermordung Margaret Thatchers“ hat kürzlich auf der Insel für Protest gesorgt: Freunde der Eisernen Lady waren empört. Tatsächlich versucht die Meistererzählerin dem Erbe der Premierministerin gerecht zu werden.
Maggie musste sich einer Augenoperation unterziehen. Kurz bevor sie aus dem Krankenhaus entlassen wird, verschafft sich ein Attentäter Zutritt zu einer nahegelegenen Wohnung. Von einem Fenster aus kann er die Rekonvaleszentin ins Visier nehmen – ein Scharfschütze dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit treffen.
Aber nicht der Schuss, der in der Erzählung nie fällt, ist wesentlich, sondern das sonderbare Zusammentreffen des Attentäters mit der Wohnungsbesitzerin. Die ältere Dame aus dem Mittelstand ist von Anfang an so einverstanden, dass der Attentäter, ein Ire sie nicht zu fesseln, nicht einmal einzuschüchtern braucht – ja, sie hilft ihm sogar noch, einen Fluchtweg zu finden.
Die Lektüre befremdet – bis sich die Lösung anbietet. Diese Wohnungsinhaberin entspricht dem Menschenbild von Maggie Thatcher. Die Politikerin glaubte nicht, dass es so etwas wie eine Gesellschaft gebe. Diese Wohnungsbesitzerin auch nicht. Sie lehnt jede Verantwortung für ihre Mitmenschen ab – und bleibt deshalb kalt, als sie vom Anschlag erfährt.
Die Empörung der Freunde von Lady Thatcher ist berechtigt. Nicht, weil ihr Andenken beschmutzt würde, sondern weil es aufrecht erhalten bleibt.
Die anderen Geschichten (bis auf „Der Besucher“) sind nicht so gut. Wie Mantel den Neoliberalismus ins Visier nimmt, das allerdings ist meisterinnenhaft.
Hilary Mantel: Die Ermordung Margaret Thatchers, DuMont 2014, 158 S., Hardcover, 18,00 €