Modeschöpfer Hansdampf – John von Düffels „Gespräch über die Unsterblichkeit“
John von Düffel ist vielseitig: Romancier und Dramatiker, Dramaturg und Tiefschürfer. Er verschmilzt seine Talente und exzelliert in Geschmeidigkeit. Das merkt, wer sein neues Buch liest. Schon der Titel „Gespräch über die Unsterblichkeit“ führt in die Irre. Es geht nämlich um das genaue Gegenteil, um die Sterblichkeit, den Tod.
„KL“ steht davor – „KL – Gespräch über die Unsterblichkeit“ – und mit KL ist ein Modeschöpfer bezeichnet, den alle kennen. Ein Greis am Rande des Grabes, der sich als unsterblich inszeniert – aber auch nicht. Düffel weiß nämlich als Philosoph und Dramaturg etwas über Wirkung von Bildern – und lässt kunstvoll im Ungewissen, ob wir es mit dem Bild von dem Moderschöpfer zu tun haben oder dem Modeschöpfer selbst oder dem Modeschöpfer beim Verfertigen seines Bildes – oder das, was sich John von Düffel darunter vorstellt. Düffel ist gründlich, er ist als Schriftsteller vor allem Dramatiker und spielt das philosophische Problem Modell/Abbild durch – nicht nur, dass er sehr viel szenisch in diesen Interviews anlegt, die er im Buch ausmalt, er hat den Text auch vor allem dialogisch (Interview) ausgeführt (und kann dann natürlich das Buch auch gleich mehrfach auswerten: Auf dem Theater und als Hörspiel.) Düffel kann so die Frage durchspielen, die im Theater, vor allem im Theater auf dem Theater, oft durchgespielt wurde und wird: Was ist wirklich? Ist die Wirklichkeit wirklich oder ist es vielmehr die Kunst, die die Wirklichkeit erst sichtbar macht als Wirklichkeit? Da bekommt das Interview, das der fiktive Journalist mit KL führt, eine wichtige Funktion: sie erklärt weniger, stiftet eher Verwirrung und damit den Leser dazu an, sich das Problem selbst klar zu machen. Sprachlich ist das ein Genuss: witzig und geschmeidig, ein Ausflug in Spiegelwelten der Dialektik.
Ehrlich?
In der Vorbemerkung steht, es hab diese Interviews nie gegeben. Sie sind aber so lebensnah, so „wirklich“, dass der Leser sich fragt, ob Düffel sie nicht geklaut hat. Oder abgekupfert, oder einfach gesammelt und sich dann angeeignet hat. Jedenfalls entsteht das Bild von einem Schlaumeier, der sich gut verkauft. Dabei ist KL auf der zweiten Ebene schrecklich oberflächlich und eitel – er hat eine Masche. Er widerspricht in jedem zweiten Satz seinem ersten. Und gibt sich damit den Anschein von Tiefe. Aber eben nur den Anschein. Oder ist er tatsächlich so blöd, dass er die Widersprüche nicht merkt? Zumindest ist er im Deutschen nicht so ganz sattelfest.
Düffel neigt als Dramatiker zur Komödie, ja zur Satire und seine Gespräche, deren Umstände und Umgebung er sorgfältig beschreibt, würzt er mit Ironie, Angriffe auf die Klassengesellschaft – hier unten bei uns der Journalist, das kleine Würstchen, da oben der Küüünstlerfürst Fürst class -, und die Umkehrung. Der Journalist als jemand mit profunder Bildung (die Figur trägt autobiographische Züge) und ein Spießer, der rastlos im Hamsterrad den Ruhm, den er erworben hat und zu dessen Opfer er sich macht, zu erhalten sucht, ja zu übertreffen.
Memento mori!
Das wird die Pointe. Der Mann ist rastlos. KL, an der Schwelle des Grabes, will weiter arbeiten, noch mehr, noch besseres schaffen – sich selbst hat er aus dem Auge verloren. Er hält sich offenbar für unsterblich.
Und so hält das Buch doch noch, was der Titel verspricht – es gibt ein Gespräch über die Unsterblichkeit. Es handelt sich um einen Irrtum.
Ulrich Fischer
John von Düffel: Gespräch über die Unsterblichkeit. DuMont 160 S., 18,00 €