Roberto Ciulli wird für sein Lebenswerk mit dem „DeutschenTheaterpreis Faust 2019“ ausgezeichnet



Die große Welt des Kleinen Prinzen
Von Günther Hennecke

Mülheim – Es war und ist typisch für einen Mann, der weltweit agiert: Seinen 85. Geburtstag feierte Roberto Ciulli Anfang April nicht etwa am heimischen Herd, sondern in Belgrad. Beim dortigen Theaterfestival Bitef sprach er über sein „ABC des Theaters“. Über ein Theater also, das seine Faszination aus der Kraft und Magie der Bilder entwickelt. Nun wird er, Chef des Theaters an der Ruhr in Mülheim, Regisseur und Schauspieler in einer Person, mit dem „Deutschen Theaterpreis Faust 2019“ für sein „Lebenswerk“ ausgezeichnet. Er habe es, so die Jury, seit nun fast 40 Jahren verstanden, sich und sein Theater „mit Humor, Menschenkenntnis, Ernst und Liebe“ weiterzuentwickeln. Am 9. November findet die Verleihung des Preises, der von der Kulturstiftung der Länder, der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und dem Deutschen Bühnenverein verliehen wird, in Kassel statt.

Roberto Ciulli – Foto: dpa



Roberto Ciulli kann wahrlich auf ein längst reiches und vielfältiges internationales Theaterleben zurückblicken. Handkes „Kaspar“ präsentierte er in Kasachstan, Büchners „Danton“ in Ankara, Lorcas „Bernarda Albas Haus“ ausgerechnet im Iran. Er scheut es nicht, sein Theater aller Welt zu zeigen. Dass die Theater der Welt auch in ihre Theater-Philosophie blicken lassen, gehört zur Weltsicht des gebürtigen Italieners Roberto Ciulli, den es 1965 aus Italien ins gelobte Theater-Land Deutschland verschlagen hat.

Göttingen war Anlaufstation. Ab 1972 mischte er, mit Hansgünther Heyme, in Köln die Theaterwelt auf. Goldoni zeigte er völlig neu, mit Eduardo der Filippo machte er auf sich aufmerksam. Ob Heinar Kipphardts „März. Ein Künstlerleben“, das er als Uraufführung während seiner Jahre am Düsseldorfer Schauspielhaus herausbrachte, den Künstler Ciulli spiegelt, sei dahingestellt. Ein begnadeter Künstler ist er allemal. Zudem einer, der dank der Kraft seiner Bild-Erfindungen fasziniert. Nicht Worte sind seine Botschaft, Bilder machen sein Theater zu einem unverwechselbaren Raum.

Ciulli ist, das ist kein Scherz, an einem 1. April geboren. Ein Lombarde mit Rotstich im Haar, gut behütet in einem großbürgerlichen Elternhaus – und doch immer auf der Suche nach Neuem. Hegel interessierte den Italiener so sehr, dass er mit einer Arbeit über ihn promoviert wurde. Doch den Doktor reizte die Straße mehr als die Gelehrtenstube: „Il Globo“ nannte er sein erstes eigenes Zelt-Theater in Mailand.

Dann das Theater Göttingen? Na  gut. Schauspiel Köln? Schon besser, aber doch nicht der Traum. Düsseldorf? Eine interessante Zwischenstation. Dann kam Mülheim an der Ruhr – und Ciullis Traum wurde Wirklichkeit: 1981 gründete er, mit Helmut Schäfer als Dramaturgen und dem bereits verstorbenen Gralf-Edzard Habben als Bühnenbildner, das „Theater an der Ruhr“. Eine Bühne, die einzigartig ist im deutschsprachigen Raum. Scheinbar ortsgebunden, ist sie gleichwohl ständig auf Reisen – und Kulminationspunkt vieler internationaler Begegnungen. Neugier und Einladungen führten das Ensemble in mittlerweile über 40 Länder der Erde.

Mit Roberto Ciulli ist ein Künstler, ja ein Magier am Werk, der mit Humor und Unternehmungsgeist, Ironie und Witz die Theaterbühne zur Welt erweitert, ohne je seine Neugier und Naivität, gepaart mit Weisheit zu verlieren. So hat er etwa Saint-Exuperys „Der kleine Prinz“ nicht nur inszeniert, er spielt ihn auch selbst, seit Jahren und überall. Ein 85-Jähriger als staunendes Kind.