Charlotte  Link : „Einsame Nacht“

Hoffnung trotz alledem

Charlotte Link sei „die erfolgreichste Autorin der Gegenwart“, versichert blanvalet, ihr Verlag. „Ihre Kriminalromane sind internationale Bestseller“, und weiter: „Allein in Deutschland wurden bislang 32 Millionen Bücher von Charlotte Link verkauft; ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt.“

Bestimmt ein Erfolg!

Die Stärke der Autorin ist gleichzeitig eine Schwäche: die Konstruktion der Handlung. Sie ist spannend, aber auch und vor allem verschlungen, unübersichtlich und macht es mit einer Überfülle von Figuren den Lesern zusätzlich schwer – die Leserinnen nicht zu vergessen. Sie dürfte Link anvisieren: denn ihre Heldinnen sind Frauen: unerschrockene Kriminalistinnen, die, bevor sie den Täter zur Strecke bringen,  mit Todesmut, Scharfsinn und weiblicher Intuition gerade so haarscharf ihrer bestialischen Ermordung entkommen, die  ihr Feind plant: ein Fettkloß, hässlich, widerlich, verfressen – eigentlich ein armes Schwein, weil er, auch äußerlich abstoßend, keine menschlichen Kontakte findet, geschweige denn ein Mädchen, das ihn erlöst.

Oder doch? Er verliebt sich in eine Schüchterne, die ihn abweist, und gewinnt durch sie die Kraft, endlich mit dem Essen vernünftig zu werden – in übermenschlicher Überwindung verwandelt sich der Fettkloß in einen anziehenden, athletischen Mann mit schier unwiderstehlicher viriler Anziehungskraft. Aber die seelischen Verletzungen seiner Fettkloß-Epoche bleiben, er hat sich in eine Rachemordschlachtermaschine verwandelt.

Als Beweis schildert Link anschaulich viele Bluttaten, a cold faint fear thrills through your veins. Alles, was das Leserinnenherz begehrt – und am Ende ist der Böse keineswegs tot. Er lauert weiter und (nicht nur) die Kriminalistinnen sollten wachsam sein – Raum für weitere Kriminalromane ist gegeben.

Also ein makelloser weiterer Erfolg Links? Nicht ganz. Immer wieder unterlaufen der Autorin sprachliche Ungeschicklichkeiten wie beispielsweise auf S. 311:  „Sie überlegte. Wenn Dalina den Überfall getätigt hatte?“ Link ist nicht hundertprozentig stilsicher und gleitet mit Vorliebe in Niederungen von hölzernem Verwaltungsdeutsch ab. Das kann jeder passieren – aber  hätte  Lektorin Nicole Geismann die Schnitzer nicht bereinigen können?

Dann wäre der Erfolg noch makelloser.

                                                                                                           Ulrich Fischer

Charlotte  Link: Einsame Nacht. blanvalet. e-Book, 334 S. – 9,99 €.