„Eine Geschichte, die nichts bedeutet, von einem Idioten erzählt“

„Macbeth“ nach William Shakespeare

HAMBURG. Die Aufführung beginnt schon, wenn das Publikum noch in den Zuschauersaal kommt – der Vorhang ist offen und der riesige, leere, schwarze Raum der Bühne vom Deutschen Schauspielhaus wird strukturiert durch die vom Schnürboden herabgelassenen Züge, bloßes Gestänge. Die Vorstellung beginnt, wenn die Träger langsam emporgezogen werden und mit sich Girlanden nehmen, die ein reizvolles, rätselhaftes Bild entfalten.

Macbeth und seine jungfräulichen Hexen – Foto: Lalo Jodlbauer

Rätselhaft

Rätselhaft ist auch das Geschehen: Karin Henkel, die Regisseurin und ihr Dramaturg Roland Koberg haben Shakespeares Tragödie in der deutschen Übersetzung von Thomas Brasch so entbeint, dass Zusammenhänge verschwinden. Gerade die Zusammenhanglosigkeit stiftet das Elend der Bearbeitung – Macbeth ist kein scharfsinniger Techniker der Macht, der rücksichtslos mögliche Gegner aus dem Weg räumt. Kristof Van Boven spielt den Usurpator als haltlosen Mann, fast ein Kind, den Angst und Schrecken treiben. Bei Shakespeare waren es drei Hexen, die Macbeths Lust auf Macht entfachten, in Hamburg hingegen lässt Karin Henkel zwanzig junge Mädchen auftreten, schwarzer Bubikopf, schwarzer Rock oder schwarze Hose und weiße Bluse. Warum? Man weiß es nicht, jeder hat eine Interpretation frei.

Die Beliebigkeit der Effekte verursacht Unbehagen, das zu Abwehr gesteigert wird, wenn Grausamkeiten ausführlich gezeigt und anschaulich geschildert werden. Effekte…

Kristof  Van Boven spielt Macbeths Wahnsinnsszenen, das grausame Kind einfallsreich, aber eine Analyse von einem Usurpator gelingt ihm nicht. Sollten Anspielungen auf Wladimir Putin intendiert sein – das wäre misslungen. Bovens Macbeth ist kein Mensch, er ist eine  Puppe, eine Bühnenfigur. Er lebt nicht in dieser Welt, in keiner realen Epoche.

Angelika Richter als Lady Macbeth (und Erzieherin der jungen Hexen) wird um die besten Textstellen gebracht – sie ist eine prachtvolle Schauspielerin, Karin Henkel rückt  die Richter in den Schatten. Unverzeihlich – und wird auch nicht durch die gute Idee Wett gemacht, am Ende Schauspieler mit einer Windmaschine auftreten zu lassen: sie blasen Herbstlaub auf die Bühne über den verrückten Mörderkönig hin. Er ist der Vergänglichkeit preisgegeben, wie wir alle: “Life’s but a walking shadow, a poor player that struts and frets his hour upon the stage and is heard no more. It is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing”, das ist echter, unverfäschter, meisterhafter Shakeapeare. Gut, dass Kate Strong mitspielt, sie darf mitunter englische Zitate wie das oben einflechten

Angelika Richter als Lady Macbeth steht hinter ihrem Gemahl (Kristof  Van Boven) – Hinten die Rätselgiralnden – fotografiert von Lalo Jodlbauer

Shakespeare ist besser, viel besser als Henkel & Company. Die wenigen Zitate hätten Regisseurin und ihr Team  überzeugen sollen, dass sie besser daran getan hätten, Macbeth nicht nach, sondern von Shakespeare aufzuführen.

                                                                                  Ulrich Fischer

Nächste Aufführung am 13. 10. und 12. 11.  – Spieldauer: 2 Stunden 30 Minuten.