„Orlando“ nach Virginia Woolf im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg
„Orlando“ hat Virginia Woolf (1928) als Roman veröffentlicht, der Stoff eignet sich aber auch wunderbar fürs Kino oder/und das Theater, denn die Geschichte ist phantastisch: ein Wesen, mal Mann, mal Frau, mal von gemischtem Geschlecht, lebt über Jahrhunderte, während ersies nur um etwa 20 Jahre altert. Virginia Woolf schildert Epochen der englischen Geschichte, deren Vorurteile, und über die Anmaßungen von Literaten, verlässliche Biographien schreiben zu können, kann sie nur spotten. Jossi Wieler arbeitet in seiner Inszenierung im Deutschen Schauspielhaus aber nicht das Leichte, Heitere des Romans heraus, er betont stärker das Rätselhafte:
Sieben Akteure treten auf, sechs Damen, ein Herr – sie bilden zwei Gruppen. Fünf Damen verschiedener Generationen setzen sich an einen Tisch („Ich bin zwanzig Leute auf einmal.“ Virginia Woolf) und beginnen, den Text des Romans auszugsweise wiederzugeben, ein Paar arbeitet sich an einer riesigen (Theater-) Eiche ab, die das Bühnenbild (Katrin Brack) dominiert. Zuerst bestecken sie den Baum mit belaubten Zweigen, später, nach einem Sturm, wird die Eiche in Einzelteile zerlegt.
Im Vordergrund stehen die Frauen – und der Text. Orlandos Abenteuer sind nicht zu sehen, sie werden nur erzählt. Streckenweise verwandelt Wieler seine Inszenierung in ein Hörspiel (Textfassung: Ralf Fiedler). Das größte Geheimnis, die Verwandlung Orlandos von einem Mann in eine Frau, wird nur berichtet – das Publikum bekommt nichts zu sehen.
Die Enttäuschung ist riesengroß: gewiss die Damen: (Sandra Gerling, Linn Reusse, Hildegard Schmahl, Bettina Stucky und Julia Wieninger) spielen wunderbar und sind schon allein dafür zu bewundern, welche Textmassen sie bewältigen, aber die Regie drückt sich um die Herausforderung nicht nur der Geschlechtsumwandlung, sondern auch des Epochenwandels – und so bleiben die komischen und humorvollen wie die kritischen und satirischen Elemente des Romans auf der Bühne auf der Strecke. Die Aufführung dauerte nicht einmal zwei Stunden, aber scheint dennoch zu lang, weil langweilig. Das Programmheft, das Dramaturg Ralf Fiedler mit seinem Assistenten Martin Györffy zusammengestellt hat, ist spannender.
Meine Frau meinte, wir hätten besser den Roman gelesen. Recht hat sie.
Ulrich Fischer
Weitere Aufführungen: 4., 10. und 28. 2., 15. 3.
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