Charlotte Link : „Dunkles Wasser“
Charlotte Link sei „die erfolgreichste Autorin der Gegenwart“, wird blanvalet, ihr Verlag, nicht müde zu versichern: „Ihre Kriminalromane sind internationale Bestseller“, und weiter: „Allein in Deutschland wurden bislang 32 Millionen Bücher von Charlotte Link verkauft; ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt.“ Jetzt hat sie es wieder getan; Charlotte Links neuer Roman heißt „Dunkles Wasser“. Das kann der Leser auf die Abgründe beziehen, die die Verbrecher zu ihren Untaten motivieren, aber auch auf den ganz konkreten Ort der Untaten: es ist Nacht, der Sturm heult und das Meer droht. Schottland, das Land von Macbeth. Charlotte Link schreckt vor Kolportage nicht zurück.
Die Stärke der Autorin ist gleichzeitig eine Schwäche: die Konstruktion der Handlung. Sie ist spannend, aber auch und vor allem verschlungen, unübersichtlich und macht es mit einer Überfülle von Figuren den Lesern zusätzlich schwer – die Leserinnen nicht zu vergessen. Sie dürfte Link anvisieren: denn ihre Heldinnen sind Frauen: unerschrockene Kriminalistinnen, die, bevor sie den Täter zur Strecke bringen, mit Todesmut, Scharfsinn und weiblicher Intuition gerade so haarscharf ihrer bestialischen Ermordung entkommen. Ihre Heldin in „Dunkles Wasser“ ist eine junge, fast schon geniale Kriminalistin, die unter Kontaktschwäche leidet – vor allem traut sie sich nicht recht, mit einem Mann eine Beziehung aufzubauen, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünscht. Die Komplexität dieser wie anderer Figuren, ihre psychologische Ausleuchtung gehört eindeutig zu den Stärken des Romans.
Mehr noch die Konstruktion der Motivlage beim Mordanschlag – Link verweist auf Klassengegensätze: das Opfer ist eine Familie, deren Oberhaupt ein (erfolg)reicher Mann ist, der Mitgefühl für seine Mitarbeiter vermissen lässt; er kündigt einer Putzfrau, die einen geringfügigen Betrag gestohlen hat, ohne Einsicht in deren verzweifelte Lage – und macht sich so deren Sohn zum Todfeind.
Auch die Schilderung des Grauens ist Charlotte Link geglückt – was sich die Autorin ausdenkt, lässt das Blut gefrieren. Bestandteil ihrer Kolportage – aber auch eine achtenswerte Weigerung, dem Schrecken der Verbrechen auszuweichen.
Also ein makelloser weiterer Erfolg Links? Nicht ganz. Immer wieder unterlaufen der Autorin, wie schon in früheren Bestsellern, sprachliche Ungeschicklichkeiten. Link ist nicht hundertprozentig stilsicher. Das kann jeder passieren – aber Lektorin Nicole Geismann hätte die Schnitzer leicht bereinigen können (und sollen).
Dann wäre der Erfolg noch makelloser.
Ulrich Fischer
Charlotte Link: Dunkles Wasser. blanvalet. 574 S. – 25,00 €.