„Ich möchte lieber nichts“

John  von Düffel erzählt „Eine Geschichte vom Konsumverzicht“

John von Düffel ist vielseitig: er ist vor allem Dramatiker, hat Theaterstücke geschrieben, Dramen bearbeitet und übersetzt, Beiträge zur Dramaturgie geliefert – aber auch Romane verfasst; er war Dramaturg am Deutschen Theater, ist Professor für Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin und jetzt Leiter eines kleinen Theaters. Nun ist er nicht nur der Autor seines neuen Buches, er entpuppt sich sogar noch als dessen Protagonist.

Foto: Birte Filmer

Düffel erzählt die Geschichte von einer Kommilitonin, beide sind Konsumverächter, aber sie übertrifft ihn noch. John und Fiona haben in Schottland studiert und reden bei einem Wiedersehen nach Jahrzehnten miteinander über ihr Leben – Düffel bleibt nah bei der Wirklichkeit, bezeichnet seinen Bücherdüffel als Schriftsteller. Fiona hat wie er Philosophie studiert, wollte ihr Leben auf einem Stein verbringen und denken. Daraus wurde nichts, wie Düffel erfährt, sie musste ihr Studium abbrechen, weil ihr Vater nach einem Unfall ihrer Pflege bedurfte.

Im Lauf der Romans werden noch mehr Bruchstücke aus Fionas Leben nachgetragen; sie hat sich immer wieder für Leute eingesetzt, die ihrer Hilfe bedurften, nicht zuletzt für ihren Sohn, einen Messie – und ihre Tochter, die wohlgeraten erscheint.

Liegt eine unerfüllte Liebesgeschichte dem Treffen in Edinburgh zu Grunde ? – vielleicht gilt das „Ich möchte lieber nichts“ auch hierfür. Schade, für Fiona hatte es besser, erfüllter ausgehen können.

Aber weniger in der Geschichte, der Fabel liegt der Wert des Buches, mehr in der Reflektion über das Thema der Askese und des Konsumverzichts. Und der Fülle von Aphorismen, die den Text wie Lichter durchziehen.

Die Biographien prägen vor allem Gedanken über Klassenunterschiede   – John kommt aus einem bürgerlichen Haushalt, Fiona aus bescheideneren Verhältnissen: „‚Von euch wurde etwas erwartet,‘ sagte sie, ‚von mir nichts. Das klingt nach einer Kleinigkeit, ist aber ein Klassenunterschied… Der Einfluss meiner Eltern endete bei jedem Buch auf Seite eins …. Beim Lesen war ich auf mich allein gestellt.“ (S. 31).

Ein daraus resultierender, gewichtiger Meinungsunterschied wird ausführlich erörtert: Fiona meint, das menschliche Schicksal werde von Struktur(en) bestimmt, John dagegen, die Individualität sei entscheidend. Wer die gewichtigeren Argumente für sich hat, kann der Leser oder die Leserin entscheiden.

Düffel knüpft an seine Reflexionen (zumindest in der Form) an seinen Nichtroman „Das Wenige und das Wesentliche“ (2022)  an. Auch hier verwandelt die sprachliche Durcharbeitung   die Lektüre in Vergnügen. Beachtet Düffel die gesellschaftliche Dimension zu wenig? Wohl kaum, gäbe es mehr Asketen wie ihn und weniger Konsumidioten, wäre das ein Weg zur Lösung vieler Krisen. Und gäbe es mehr aufs Gemeinwohl bedachte Leute wie Fiona – die Großkonflikte wie im Nahen Osten und in der Ukraine lösten sich in Wohlgefallen auf.

Trotzdem, ich hätte gern erfahren, was John und Fiona über die Kriege denken – sehen sie eine Lösung?

Das Bändchen ist lesenswert – zudem  schön & schlicht ausgestattet mit schwarzer Schrift auf rotem Umschlag (mit ebenfalls rotem Lesezeichenbändchen)  – im Regal neben der Schwester „Das Wenige und das Wesentliche“ ein zweites leuchtendes Juwel…  

Düffel gibt der Freundin von Fionas Tochter, einer Schottin, das letzte Wort: „Ich möchte lieber nichts“. Fionas Maxime wird in die Zukunft getragen.    

                                                                                                   Ulrich Fischer

John von Düffel: Ich möchte lieber nichts.  DuMont. 205 S.; 24,00 €.