Elfriede Jelinek zum Wahlsieg von Donald Trump
Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg reagierte rasch, entschlossen – verschob eine geplante Inszenierung, machte Platz für Elfriede Jelinek. Die österreichische Nobelpreisträgerin hat sich den Wahlsieg von Donald Trump vorgeknöpft und eine wilde Theater-Collage zusammengestellt, verschiedenste Aspekte des Politikers höchst kritisch beleuchtet und fragt: Wie ist es denn nur möglich?
Falk Richter, der schon Jelineks ersten Text über Trump nach dessen erstem Wahlsieg inszeniert hatte, übernahm auch in dem neuen Stück die Regie – Titel „Endsieg“.
Nina Wetzel – Bühnenbildnerin
In die Mitte ihres Bühnenbildes rückt Nina Wetzel ein großes, schlichtes leuchtendes Kreuz (kein Haken-, ein christliches Kreuz) aus Neonröhren – es hat blasphemische Komponenten, wirkt aber stärker analytisch. Die Frage, wie es denn nur möglich sei?, beantwortet Jelinek mit dem Hinweis auf die Neigung vieler Amerikaner zu Kirchen, Gemeinden. Wenige haben sich vom Glauben emanzipiert, sind deshalb anfällig für Politiker und andere Leute mit Großmannsucht, die sich als Heiland ausgeben. In einer langen Szene steht Trump als Heiland im Kreis seiner Jünger, für sein Arrangement macht Regisseur Richter Anleihen bei frommen Bildern der Anbetung.
Foto: Thomas Aurin
Christoph Jöde, Frank Willens, Sandra Gerling, Mirco Kreibich, Mehmet Ateşçi, Josefine Israel
Das Stück hat keine Handlung, die Bilder stehen nebeneinander: Bühnenbildnerin Wetzel positioniert zwei Bildschirme prominent im Raum, einen großen, einen kleinen; dort projizieren Michel Auder und Sébastien Dupouey eine jede Fassungskraft überfordernde, überbordende Fülle von Bildern, vor allem Videos. Einmal kommt die Bilderflut aus Amerika und der Welt zur Ruhe: der Kandidat tanzt; auf dem Schirm erscheinen offenbar authentische Aufnahmen: Donald Trump tanzt auf der Bühne vor seinem begeisterten Publikum; der alte Mann bewegt sich kaum, mehr die Hände, zu Fäusten geballt, als Beine und Füße. Er scheint ganz in sich versunken – wie kann etwas so Langweiliges, Narzisstisches eine solche Begeisterung erzeugen?
Viele Rätsel umkränzen das Haupträtsel, wie es denn nur möglich ist, dass Trump die Wahl, die Stimmen so vieler Amerikaner für sich gewinnt. Das siebenköpfige Ensemble gibt sein Bestes, es tanzt und singt makellos, umreißt naive Bilder aus dem amerikanischen Volksleben wie vom Hof des Großen Präsidenten gekonnt, ironisch, sarkastisch.
Synthetisches Fragment
Das Stück, die Collage ist ein synthetisches Fragment. Bühnenbildnerin Nina Wetzel betont das Fragmentarische durch viele Leerstellen auf der Großen Bühne. Im Kontrast arbeitet sie Details liebevoll aus. Am besten gelungen ist ihr das Siegel des neuen Präsidenten. Das alte, uns allen aus dem Fernsehen wohlbekannte Große Siegel der Vereinigten Staaten ist wunderschön und voller Symbolik: e pluribus unum! Der wehrhafte Adler, der Pfeile in einer Klaue hält. Für Donald Trump entwirft Wetzel ein neues Siegel: ebenfalls rund, den äußeren Kreis umschließen Bitcoin-Münzen, drinnen dominieren Golfschläger, deren Schlägerköpfe mit ewigem Feuer brennen, Patronen, Flaggen und Golfbälle. Wer sich Zeit nimmt, das Bühnenbild genau anzuschauen, gewinnt. Vielleicht sogar Einblick in die Gedankenwelt des gewählten Präsidenten – oder Mutmaßungen darüber von einer deutschen Künstlerin.
Wie geht es weiter? Das Stück, die Regie, das Ensemble geben keine Antwort, Elfriede Jelinek scheint ebenso ratlos wie so viele Zeitgenossen. Aber das Stück ist noch nicht zu Ende – Elfriede Jelinek kann an ihrer Collage noch weiter arbeiten, Falk Richter und sein Ensemble ebenfalls. Es könnten Längen gekürzt werden, die Frage von Krieg und Frieden, vom Nahen Osten, von der Ukraine und Russland eingearbeitet, ergänzt werden. Aber das Publikum war zufrieden mit diesem ersten Ansatz, damit, dass so kurz nach dem Wahlsieg schon ein Stück auf dem Theater sich mit dem Problem, das viele beschäftigt, auseinandersetzte – und neben Ratlosigkeit Humor beisteuerte. Es gab viel Beifall.
Endsieg? Hoffentlich nicht.
Ulrich Fischer
Weitere Aufführungen: 8. 12.; 6.1. – Spieldauer: 100 Minuten
www.schauspielhaus.de