Gute Nachrichten aus den Vereinigten Staaten

John Grishams neuer Roman „Die Legende“

In seinem neuen Roman „Die Legende“ wendet sich John Grisham wieder (zum dritten Mal) „Camino Island“  zu. Der amerikanische Bestsellerautor hat eine Insel an der Ostküste der Vereinigten Staaten an der Grenze von Florida und Georgia erfunden und rückt abermals den US-amerikanischen Literaturbetrieb ins Zentrum. Gegen Ende umreißt er kurz den Hauptkonflikt: „Ein reicher weißer Konzern versucht, sich ein historisch bedeutsames Land unter den Nagel zu reißen, das einst ehemaligen Sklaven gehört hat.“

Diese Sklaven, ihren Herren entlaufen, suchten in unzugänglichster Umgebung („Dark Island“) Zuflucht – jetzt, gut 250 Jahre später,  soll auf den Gräbern der Entrechteten  das Land gerodet und ein luxuriöses Casino errichtet werden: der Profit lockt.

Gegen die reichen Unternehmer steht eine alte, arme Frau, Lovely, die behauptet, sie sei als Abkömmling der SklavInnen heute Besitzerin der Insel. Sie findet Verbündete, die gegen die Geschichtsvergessenheit angehen und gemeinsam den Kampf ums Erbe aufnehmen – ein   alter   Konfliktaufbau bei Grisham, (arm/reich), der sich erneut bewährt. Interessant neben der Handlung die Figuren: die greise Afroamerikanerin, die selbstbewusst ihre Geschichte recherchiert und in einem anspruchslosen, im Selbstverlag publizierten Buch für Unterstützung wirbt; der Kranz ihrer Helfer: der Buchhändler, der ihr Buch vertreibt, Autoren und eine angehende  Schriftstellerin, die die Geschichte der Insel recherchiert, mit dieser spannenden Geschichte Leser in den Vereinigten Staaten findet und sie zu Unterstützern einer Stiftung macht, die die Insel kultiviert, um einen Park mit dem Friedhof der ehemaligen Sklaven und Flüchtlinge in der Mitte einzurichten: ein Park gegen die Geschichtsvergessenheit.

Wem in diesen Tagen die Gewissheit verloren zu gehen droht, dass es auch tolle, kluge, witzige, listige und völlig lockere, unverbissene  Amerikaner gibt, darf Hoffnung schöpfen. Grisham grundiert seinen Roman mit der ruhigen, unerschütterten Sicherheit, dass das Gute die Oberhand behält, dass Klugheit, Gelassenheit, MitMenschlichkeit über Profitgier und berechnende Herzensenge obsiegen. Ganz einfach. John Grisham schildert gleichzeitig plausibel, dass Literatur eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Vergangenheit spielen kann, dass es auch heute noch eine Literatur gibt, die sich nicht in Selbstverliebtheit verliert, mehr ist als eitle Selbstbespiegelung. Die einfache, aber nie simple, ebenso klare wie humorvolle Sprache übertragen ohne Verlust Bea Reiter und Imke Walsh-Araya ins Deutsche. Diese erzählerischen Ebenen, nicht die unwichtigsten, beschreiben Grishams poetisches Programm: Bücher für alle!

Amerikanischer Realismus!,  ein neuer, heiterer, durch und durch optimistischer Bestseller Grishams.

                                                                               Ulrich Fischer

John Grisham: Die Legende. Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter und Imke Walsh-Araya. Heyne.  261 S. kosten 24,00 €.