Abgesoffen

 

„Die Ballade vom Fliegenden Holländer“ von Sebastian Baumgarten und Jörg Bochow   in Hamburg

 

 

HAMBURG.  Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, jetzt unter neuer Leitung von Karin Beier, kündigte eine neue Fassung vom „Fliegenden Holländer“ an. Sebastian Baumgarten und sein Dramaturg Jörg Bochow nahmen Richard Wagners Oper unter die Lupe, prüften Fassungen von Fitzball und Hauff, Heine und Hudtwalcker , und versuchten, die Gruselgeschichte aus verschiedenen Elementen neu zusammenzufügen.

 

Solide Grundlage

 

Dabei gingen sie zunächst ganz seriös vor; sie fanden heraus, dass die Geschichte von dem Gespensterschiff offenbar in der frühen Neuzeit entstand. Auf dem Seeweg nach Indien gab es harten Wettbewerb – und ein holländischer Kapitän setzte sein Seelenheil als Pfand, um das Kap der Guten Hoffnung zu umschiffen, schneller zu sein als die Wettbewerber. Dafür musste er bezahlen  und fährt so lange zur See, bis ein tugendhaftes Mädchen, das ihn uneigennützig liebt, ihn erlöst.

 

Die Aufführung der neuen Fassung beginnt mit projizierten Videos und Filmausschnitten, die vom 17. Jahrhundert bis heute reichen und die Folgen der Konkurrenz zeigen: Krieg und Grausamkeit. Das geht bis ins 21. Jahrhundert – und über unsere Zeit hinaus. Hamburgs Holländer spielt 2073.

 

Wanken und …

 

In Südafrika haben sich Leute von dem unheilvollen Wettbewerb zurückgezogen und leben in Gemeinschaft, einfach. Die Frauen stellen vor allem landwirtschaftliche Güter her, Käse zum Beispiel, die Männer fahren zur See. Dort trifft der Kapitän einen anderen Kapitän und bemerkt dessen gespenstische Eigenschaften nicht. Es ist der Holländer. Er wird von seinem irdischen Kollegen in dessen Heim eingeladen und trifft dort Senta, von der er Erlösung erhofft.

 

Es ist mühsam, der Geschichte zu folgen, ob sie gut ausgeht oder offen. ist schwer zu sagen. Bilder übernehmen die Herrschaft, eine Schlüsselszene zeigt Senta, weiß, im Ringen mit dem Holländer, schwarz. In Anlehnung an expressionistisches Kino arbeitet Regisseur Baumgarten mit Schatteneffekten.

 

Götz Schubert tritt als Holländer häufig mit einem Ganzkörper Gummi- oder Lederkostüm auf, finster wie die Nacht – und wenn ein Scheinwerfer ihn aus dem Zuschauerraum beleuchtet, wächst sein Schatten an der Bühnenrückwand ins übermenschlich Große. So richtig unheimlich ist das nicht – aber Schubert wirkt   geschmeidig, manchmal wie ein Affe, manchmal wie eine Spinne. Spiderman vielleicht, viele Elemente erinnern an Comic Strip, aber auch an Zeichentrick-, an Animationsfilme.

 

… schwanken

 

Über die Effekte geht die Zielstrebigkeit der Inszenierung verloren – was soll sie sagen? Warum soll eine neue Fassung des „Fliegenden  Holländers“ her? Die alten sind konsistenter, gespenstischer, gruseliger.

 

Die Effekte sind meistens abgebraucht, selten originell und eine neue Geschichte stellt sich nicht ein; Geschichte überhaupt wäre ganz schön, aber der Inszenierung fehlt   innere Kohärenz, insgesamt erscheint die knapp zweistündige Aufführung ein einziger Wirrwarr. Das könnte lustig sein, strapaziert mit seiner Langweiligkeit aber nur die Geduld.

 

Wirr & Warr

 

Die Schauspieler geben sich Mühe, es werden Shanties gesungen, im Chor gesprochen – aber die Figuren sind kaum konturiert, erwecken kein wirkliches Interesse. Sie überzeugen weder als Gestalten der Zukunft, noch der Vergangenheit, sie sind schlicht schlecht konstruiert.

 

Diese Inszenierung ist ein Ärgernis, vertane Lebenszeit für Zuschauer.   Schon am Konzept müsste deutlich geworden sein, dass es die Bühnenreife nicht erreicht – warum hat Baumgarten von der neuen Intendantin grünes Licht bekommen?

 

Ein Trost bleibt: Vermutlich ist der “Fliegende Holländer“ erlöst – er ist mit seinem Schiff im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg abgesoffen.

 

Ulrich Fischer

 

 

 

Aufführungen am  14., 22., 28.  Feb.; 8., 13. und 28. März – Spieldauer: 100 Min.

Kartentel.: 04024 87 13 – Internet: www.schauspielhaus.de