Mit Witz und Satire ins Sommerloch

Mit Witz und Satire ins Sommerloch

Eine mitreißende „Reisewarnung“ im Kölner „Bauturm–Theater“

Von Günther Hennecke

Köln – Diesem „Sommerloch“ kann sich kaum einer entziehen. Denn was das Führungs-Trio des kleinen privaten Kölner „Bauturm-Theaters“ als „Eine Reisewarnung“ auf die sommerlich überhitzte Bühne bringt, rast und wechselt derart mitreißend von poetisch zu frech, von satirisch zu grandios, dass einem Hören und Sehen – nein, nicht vergehen, sondern man sich, im Gegenteil, voller Sinnes- und Hör-Lust in den Abend stürzt.
Im Land der Zitronen
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?“ Mit Goethes Sehnsuchts-Gedicht geht’s erst einmal recht poetisch los. Aber nicht lange danach folgen der Entpoetisierungs-Hammer eines Tucholsky, der ironisch–sarkastische Text eines Theodor Fontane über modernes Reisen und des Kölner Poeten Rolf Dieter Brinkmanns geradezu böse Blicke auf Rom.
Bauturm-Leitungstrio mitten drin
Doch nicht nur sie, die berühmten Reisenden, geben ihren Senf dazu. Auch das Duo Laurenz Leky und René Michaelsen, künstlerischer Leiter der eine, sein Mitstreiter der Dramaturg des Hauses, halten unschwer mit. Wenn Leky loslegt, wackelt die Bude. Und wir mit ihr. Denn er wie Michaelsen – der ist der etwas „Intellektuellere“ neben dem Berserker der Sprachkunst – lassen eine Menge von dem in den Orkus sinken, worauf wir als Reisende doch so stolz sind: fernste Lande zu bereisen – um danach, voller Stolz und Überlegenheit, darüber berichten zu können. Dass dabei der Dritte im Bunde, Bernd Schlenkrich, als Regisseur einen nicht unerheblichen Teil zu diesem Abend beigetragen hat, sei nicht verschwiegen.
In der Nähe liegt das Ziel
Aber was wollen die drei erreichen? Reisen sie nicht selbst? Natürlich! Aber sich selbst verhohnepipeln zu können und damit auch uns, das Publikum, zum Lachen über uns selbst zu bringen: Das ist die hohe Kunst dieses ironisch–sarkastischen Abends, der freilich immer wieder in Humoresken landet, sprich: über das Lachen zur Selbst-Erkenntnis führt. Und immer wieder klarmacht, dass wir in der Ferne eigentlich die Nähe und damit uns selbst suchen.
Kant und andere „Daheimbleiber“-Genies
Kein Wunder, dass nicht wenige der klügsten Köpfe ihr Heil im Zuhause fanden und finden. Da ist Immanuel Kant, der nie aus Königsberg hinaus–, aber in tiefste philosophische Erkenntnisse hineinfand. Da ist Eugen Roth, den die „Bautürmler“ zum „klassischen Daheimgebliebenen stilisieren. Pascal steht im selben Ruf, Spinoza ebenfalls: Wer daheim bleibt, hat also nichts verpasst.
Und dann wird‘s auch noch Kölsch
Soweit so ernst wie verrückt, humorvoll und schrill. Wenn Leky und Michaelsen dann plötzlich mitten im Saft kölscher Selbstbespiegelung landen, indem sie den Karnevalssong der Bläck Fööss, „Jedes Johr im Sommer jeit dat Spillche widder loss, / Met Sack um Pack noh Spanien…“, anstimmen, sind sie mitten im Jetzt. Ist dem wahren Kölner Spanien und Sevilla doch wie „ze Hus“: „He fählt nur vom Balkon die Aussicht op d‘r Dom.“
Warum nicht mal „beschissen“
„Alles gut zu finden“, so zitieren sie Robert Walser, ist doch langweilig. Den Mut zu haben, die „schönsten Wochen des Jahres“ auch mal „beschissen“ zu finden. Damit strickt das Trio das Selbsterkennungs-Spielchen weiter. Aber wenn wir das alles wissen – „wie gehen wir damit um?“, fragt Leky, scheinbar verzweifelt. Vor allem auch mit all den Deutschen, denen man „da draußen“ begegnet und die einen peinlich berühren. Aber sähen wir uns selbst, aus der Distanz betrachtet, nicht ähnlich?
Alles wird in Frage gestellt
Nichts bleibt an diesem Abend, was nicht in Frage gestellt würde. Aber so raffiniert und unideologisch in Worte, Szenen und Situationen umgesetzt, dass sich Spaß und Nachdenklichkeit nie ins Gehege kommen. Es ist Theater vom Besten. Mit Lust am Spiel, mit Freude am Zerdeppern von Allgemeinplätzen und, vor allem, mit einem Blick in unseren ganz persönlichen Reise-Spiegel.
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