„Schreckliche Kinder“ versinken in Banalität

„Schreckliche Kinder“ versinken in Banalität

Bühnenfassung von Jean Cocteaus Roman „Les Enfantes terribles“ als misslungene Uraufführung in Köln

Von Günther Hennecke

Köln – Es gibt Theaterabende, die man am besten schnell vergisst, weil sie einem Autor und seinem Werk nie gerecht werden. So geschah es jetzt am Kölner Schauspiel mit Jean Cocteau (1889 – 1963), dessen Roman „Les Enfants terribles“ von 1929 in einer angeblich „einzigartigen Fassung von Helene Hegemann“ namens „Kinder der Nacht“ im Haus am Offenbachplatz wahrlich „terrible“, schrecklich geriet. Zumal in Melanie Kretschmanns Regie Cocteaus dunkle Welt einer inzestuösen Geschwister-Liebe als billige Alltags-Story daherkommt – und ebenso langweilt wie verärgert. Ungelenk, nicht selten kindisch und albern und dabei Welten entfernt von des Franzosen mythischer Tiefenbohrung und selbstgewählter Isolation treibt ein Stück dahin, ohne auch nur den Ansatz für ein Verständnis sichtbar werden zu lassen.

Schwarze Engel im Schnee
Dabei beginnt es recht verheißungsvoll. Es schneit. In geheimnisvollem Dämmerlicht fegen Figuren wie schwarze Engel durch den Raum. Schwarz sind ihre flügelartigen Umhänge, wild ihre Gebärden und Bewegungen. Bis hin zu Gruppenkämpfen. Für Paul, einen von Ihnen, endet das Kriegsspiel tragisch: Ein Schneeball trifft ihn am Kopf – und von nun an wird er die Wohnung, in der er mit Schwester Elisabeth lebt, nicht mehr verlassen. Eine Wohnung, in der ihre verstorbene Mutter als Geist in Betten wie an Wänden stets präsent ist. Dabei wirkt sie sehr real, thront über den eisernen Bettrahmen – und wird gleichwohl von keinem auch nur beachtet.

Alberne Spielchen mit nacktem Gemächt
Geradezu spießig wirkt diese Wohnung. In ihr schließen sich Paul und Elisabeth von der Außenwelt völlig ab und leben ein eigenes Leben. Würde man doch nur ein wenig von der selbstgewählten Vereinsamung spüren. Doch die zeigt sich nur in nicht selten kindischen Spielchen auf dem Bett und ausgebreiteten Matratzen. Wenn dann Schwesterchen Elisabeth dem nackten Brüderchen die Schlafanzughose anzieht, zeigt der aller Welt ganz ungeniert den Körperteil, der auf ihn als männliches Wesen verweist. Pubertärer geht’s wirklich nicht.

Ein bisschen Knutschen statt Inzest
Zudem sind diese und andere Szenen banal, beliebig und undramatisch in Szene gesetzt. So ist auch von „den ganz eigenen Gesetzen und Ritualen in der Kindheit“, die das Programm-Heft der Wohnung zuschreibt, nichts zu spüren. Schon gar nichts von der „Magie, die von dem Treiben im Zimmer ausgeht“. Kein Wunder, lässt die Geschwister- Liebe weder in dieser Bühnenfassung noch in der Inszenierung auch nur einen Hauch inzestuöser Neigung erkennen. Ein bisschen Knutschen kommt schließlich in den besten Familien vor.

Zerstörerische Liebe – Fehlanzeige
So bleibt als Fazit, dass Cocteaus Drama der selbst verordneten Abgeschiedenheit vom Alltagsleben dieser Welt zur Banalität verrutscht. Schrecken, Klaustrophobie und die „zerstörerische Liebe zweier Geschwister“, wie sie Cocteau beschwört, sind in Köln ferne Kontinente, die nie ins Blickfeld rücken. Gleichwohl großer Jubel im Publikums.

P.S.: Es sei noch eine Anmerkung gestattet: Dass die lautesten Jubel-Arien vor allem von Mitgliedern der Produktion angestimmt wurden, ehe sie, um den Schlussapplaus auch für sich einzuheimsen, ganz rasch auf die Spielfläche eilten, sollte sich eigentlich verbieten.

Schauspiel Köln am Offenbachplatz; Aufführungen: 29., 31. Januar; 2., 5. Februar; 2 Std. ohne Pause; www.schauspielköln.de