Jede Szene ein Tableau

Robert Wilson begeistert in Düsseldorf mit Kiplings „Dschungelbuch“ das Publikum

Von Günther Hennecke


Düsseldorf – Die Kindheit hat ihn wieder. Den seit 40 Jahren als „Lichtgestalter“ und „Bilderfinder“ umjubelten US-Bühnenstar Robert Wilson. In den Urwald hat er sich verirrt. Baudelaires Worten folgend, „Genie ist die willentlich zurückeroberte Kindheit“. 

Von Paris nach Düsseldorf
Also stürzte sich der mittlerweile 78–Jährige in den „Dschungel“, den Rudyard Kiplings „Buch“ von 1894 berühmt gemacht hat. Mit Mowgli und seinen tierischen Abenteuern. Seine Uraufführung erlebte das Stück vor wenigen Tagen am mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus kooperierenden „Théâtre de la Ville“ in Paris. Nun zog es auch am Rhein in Bann, wo bereits Wilsons „Sandmann“-Paraphrase nach E.T.A. Hoffmann Publikums-Triumph feierte. Standing Ovations – heute wie damals.

Jedes Bild ein Licht-Kunstwerk
Vielleicht liegt es auch daran, dass sich Wilson nicht grundsätzlich weiterentwickelt hat. Sein Spiel mit Licht und Schatten, seine Menschendarstellung, seine grandiose Fähigkeit, Bilder, ja ganze Tableaus zu schaffen, die jeweils selbst als Kunstwerk bestehen können. Mit und in ihnen droht aber  ein Stillstand, der zwar Details bewundern, aber die Geschichte, die erzählt werden soll, auf der Stelle treten lässt.

Perfektion erweist sich als Schwäche
Dass sich dabei sowohl die Wildheit des Dschungels als auch die Gefährdung Mowglis, des Menschenkindes, in schönen, oft viel zu perfekten Bildern verlieren, war und bleibt wohl eine der Schwächen des Theater-Zauberers Wilsons.

Dschungel schlägt Zivilisation
So gerät der Dschungel, wenn auch herrlich anzuschauen, zu stilisierten Pflanzen. Und Mowgli, hier übrigens eine junge Frau, zu einem naiven, in ein rotes Höschen und Pulli gesteckten Springinsfeld. Brav und harmlos. So  harmlos wie die Welt um ihn herum. Mit einem tapsig-witzigen Bär Baloo, einem geschmeidig–eleganten Schwarzen Panther und all den anderen zauberhaften Kipling-Figuren, die die Welt auf den Kopf stellen: Dschungel schlägt Zivilisation.

Auff. 26., 27. Oktober; 20., 28., 29. November

www.dhaus.de
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„Das Dschungelbuch“
Von Rudyard Kipling
Regie, Bühne und Licht: Robert Wilson

Musik und Lyrics: CocoRosie
Kostüm: Jacques Reynaud
Musikalische Leitung: Sven Kaiser

Mit Cennet Rüya Voß (Mowglie), André Kaczmarczyk (Bagheera), Georgios Tsivanoglou (Baloo, der Bär), Sebastian Tessenow (Shere Khan, Königstiger), Rosa Enskat (Hathi, der Elefant), Ron Iyamu (Akela, ein Wolf), Judith Bohle (Raksha, eine Wölfin), Tabea Bettin (Messua, Mwoglis Mutter), Felicia Chin-Malenski (Tabaqui, ein Schakal), Thomas Wittmann (Kaa, die Pythonschlange), Takao Baba (Monkey und Buldeo, ein Jäger).

Kurz und bündig: Ein typischer Wilson mit grandios entworfenen Tableaus, denen aber mehr und mehr die innere Verbindung fehlt.