Die Autobiographie eines knallroten Patrols

Kölner Abenteurer durchfahren zwei Monate lang mit K-AF 1997 Savannen,Sandstrudel, Schlamm und Bäche

Köln, im Juni 2019 – Es sind genau 22 Jahre her, dass ich, ein signalroter Patrol, das Abenteuer meines Lebens startete. Oder ist es etwa kein Abenteuer, mit drei neugierigen Männern, denen es der schwarze Kontinent schon lange angetan hatte, Afrika auf die Hörner zu nehmen? Da waren der Vater und seine zwei Söhne, die sich einen Traum erfüllten, den der Vater viele Jahre zuvor vorgeträumt, besser: zu erfüllen versprochen hatte. Wann, wo und wie es dazu kam, ist eine nicht ganz einfache, aber, wie ich meine, liebenswerte und interessante Geschichte. Nicht gerade ein Märchen, aber verblüffend genug.

Es begann in Mombasa ohne mich
Es begann ganz und gar ohne mich. Im Jahre 1986. Die beiden bereits erwähnten Söhne des damals 49-jährigen Vaters befanden sich im Kindes- und Jugendlichen-Alter. Der eine war gerade mal acht, der andere 14 Jahre alt, als sie, natürlich mit ihrer Mama, Ferien in Mombasa machten. Im Hotel „Dolphin“, direkt am schneeweißen Strand und türkis schimmernden Indischen Ozean. Doch der Strand konnte noch so verführerisch weiß, die See noch so unwirklich türkis schimmern, das Korallenriff vor der Küste noch so bunt und exotisch locken: Die Savanne, die Nationalparks mit ihrer Faszination urtümlicher Natur und Tiere ließen dem 14-Jährigen und seinem Vater keine Ruhe. So ließen sie, nach einigen Tagen am „Dolphin“-Strand,  Pool, Kind, Frau und Bruder zurück – und zogen ab in die Nationalparks „Tsavo“ und „Amboseli“.

Mörderische Tage für Gnus und Antilopen
Eine Woche lang waren die Beiden mit einem Suzuki in der Wildnis unterwegs und erlebten ebenso faszinierende wie, für einige Gnus und Zebras, mörderische Tage. In der „Kilimanjaro-Safari-Lodge“, in der sie nur durch eine Zeltplane vom wilden Draußen getrennt waren, soll dereinst bereits Ernest Hemingway übernachtet haben.

Ein folgenschweres Versprechen
Natürlich kenne ich solche Geschichten und Erzählungen nur vom Hörensagen. Ich war schließlich noch nicht mal zu einem Patrol geformt worden. Doch der Weg zurück, in die achtziger Jahre, ist notwendig, um meine einmalige Geschichte verstehbar zu machen. Denn als das Duo zurück im „Dolphin“ war, fand der erst Achtjährige das gar nicht gut, dass er mit Mama hatte zurückbleiben müssen. Vor allem, nachdem das Safari-Duo von seinen Erlebnissen so geschwärmt hatte.

Der verpasste Leopard
Also ging es, als Ausgleich und Wiedergutmachung, zu viert für zwei Tage in den nahegelegenen „Tsavo-Nationalpark“. Dass in einer der Nächte ein Leopard vor der Tür der „Ngulia Lodge“ umherstreifte, der Vater es aber nicht übers Herz brachte, den schlafenden „kleinen“ Jungen aus dem Schlaf zu reißen, hat sich Papa bis heute nicht verziehen. Der Leopard wurde zwar mit einem Fleischbrocken jede Nacht angelockt, war also schon halbwegs „gezähmt“, aber er war immerhin ein realer Leopard. Den verpasst zu haben, hat auch der Junge dem rücksichtsvollen Vater noch lange als schweres Versäumnis vorgeworfen.

Mein Leben kam in Sichtweite
Sie merken: Ich, der für die Wildnis bereite Patrol, war noch immer nicht im Spiel. Doch als das Quartett, zurück am türkisblauen Ozean und schneeweißen Strand von Mombasa, es lässig angehen ließ, kam ich erstmals, ganz indirekt und nur in der Rückschau nachvollziehbar, in Sichtweite. Und sei sie noch so nebulös. Denn an diesem Strand sprach der Vater die folgenschweren, man kann auch sagen, die prophetischen Worte: „Solltet ihr nach Schule, Studium oder Ausbildung immer noch so verrückt auf Afrika sein, dann verspreche ich euch: Wir Männer werden dann zu dritt eine Reise quer durch Afrika machen!“ Ein großes Wort, das vielleicht mal kurz verloren ging, aber offenbar nie in Vergessenheit geriet.

Ein Versprechen wurde Wirklichkeit
Gut zehn Jahre später – für den einstmals 14-Jährigen war das Studium zu Ende, für den damals Achtjährigen, der mit seinem Unwillen, dass er damals, 1986, nicht in der Wildnis dabei sein durfte, des Vaters schwergewichtige Versprechen provoziert hatte, das Abitur – nahm die „Prophetie“ von der großen Afrika-Durchquerung ganz allmählich Formen an. Vater hatte von seinem Arbeitgeber, bei dem er als Pressereferent für Kultur agierte, die Erlaubnis bekommen, drei Monate lang Köln den Rücken zu kehren. Die Jungens scharrten mit den Hufen – und das auf drei Monate geplante Abenteuer konnte in Angriff genommen werden. Von mir war übrigens noch immer nicht die Rede. Dazu muss man sagen – auch das weiß ich nur aus Berichten –, dass der einst gehegte Plan, von West nach Ost, also etwa von der Elfenbeinküste über Ghana und Togo, Benin und Nigeria, Kamerun und die beiden (heute) Kongos, Uganda und Kenia zu fahren, durch die damals tobenden Bürgerkriege in der Region, vor allem im Kongo, ein „quer durch Afrika“ zur Makulatur wurde.


Die Pläne nahmen Gestalt an
Doch die Pläne reiften. Nur anders. Vier westafrikanische Staaten, die Elfenbeinküste und Ghana, Togo und Benin wollte man durchstreifen. Danach, so plante das Quartett penibel und mit Hingabe, sollte Südafrika für zwei Monate Reiseland und Traum-Kontinent sein. Also die damals, 1991, endlich von der Geisel der Apartheid befreite Republik Südafrika; das als letzter aller afrikanischen Staaten 1990 in die Unabhängigkeit entlassene Namibia; Botswana, das damals wie heute als eine Hochburg afrikanischer Demokratie galt und gilt; schließlich Simbabwe, in jenen Neunziger Jahren noch relativ frei, unter Mugabe später dann zur Diktatur verkommen. Und zuletzt Mosambik, das sich erst langsam von einem selbstmörderischen 16-jährigen Bürgerkrieg zu erholen begann.

Dem Traum drohte ein frühes Ende
Mit der Planung, die schon 1996 begonnen hatte, tauchte aber noch ein Problem auf, das alle Träume des Trios drohte platzen zu lassen. Denn während man die westafrikanischen Staaten mit einem Leihwagen ohne Hindernisse durchqueren konnte – man musste nur zum Startpunkt zurückkehren -, hieß es im Süden für alle Mietwagen: Stop an praktisch allen Grenzen. Damit war die vermeintlich einfachste Sache der länderübergreifenden Reise erledigt: Ein Mietwagen schied aus.

Endlich kam ich ins Spiel – und das Abenteuer begann
Damit schien der große Traum erledigt – wenn ich nicht gewesen wäre. Und natürlich die rege Fantasie des Trios. Die drei versteiften sich, von der Realität Afrikas dazu gezwungen, nämlich auf den Gedanken, einen ebenso wüsten- wie savannengängigen Wagen in Deutschland zu kaufen, nach Afrika zu verschiffen und, frei von allen Bindungen, durch die Lande zu ziehen und die Grenzen damit  – gut, man brauchte dazu einen Wust von Grenzpapieren – spielend zu überwinden.

Wir wurden ein tolles Gespann


Na und? Die drei und ich wurden schließlich ein unzertrennliches Gespann. Ich kannte zwar weder Wüsten noch Savannen, aber mein Leben im leichtgängigen Europa schien mir sowieso immer unpassend und langweilig. Doch vor unser „Bündnis“, gemeinsam Südafrika zu erobern, hatte das Schicksal den Augenblick gesetzt, an dem wir uns kennenlernten – und schließlich, durch banale DM abgesichert, endgültig ein Quartett wurden.

Ich bestand die Prüfung
Dass Afrika im Visier der drei Männer war, hatte ich schnell raus. Schließlich wurde ich auf Motor und Getriebe, Auspuff und „Aussichtsdach“ geprüft. Das musste allerdings, weil ich „oben dicht“ war, erst noch geschaffen werden, damit es in den Weiten Afrikas zum „Ausguck-Fenster“ werden konnte.

Es ging los – im Container eingesperrt
Schließlich war es aber soweit. Das Trio hatte Vertrauen in meine Zuverlässigkeit und machte mich Arika-klar. Schön, werden manche sagen, aber wie kommt dieser „rote Blitz“ auf die südliche Hälfte des afrikanischen Kontinents? Natürlich weder zu Fuß noch auf Autobahnen oder afrikanischen Pisten! Ich wurde in einen Container gesperrt. Das war in Bremen, wohin mich das jugendliche Duo gesteuert hatte. Walvisbay hieß das Ziel. Von der Schiffstour in diesen namibischen Hafen hatte ich, verständlicherweise, nichts mitbekommen. Was ich mitbekommen hatte: Walvisbay war unser Ausgangsort für die Eroberung des südlichen Kontinents. Ein kleiner Hafen, nix zum Angeben. Aber ich war, nach langer Fahrt im Container-Dunkel, am Ziel. Oder am Start, wie auch immer man will.

Aus Container-Dunkel ans Licht
Dann kam der große Moment, den ich in der Dunkelheit des Containers nur erahnen konnte, besser: akustisch mitbekam. Mein „Zuhause“ wurde aufgeschlossen – und draußen sah ich, bei aller Blendung durch das afrikanische Licht Namibias, mein Trio wieder. Die Gesichter sagten alles. Staunen, Freude, ein „Endlich“! Es war eine Art „Wiedervereinigung“ – ohne politische Folgen. Doch unsere „Folgen“ sollten Abenteuer, mitreißende Erfahrungen und nie zuvor in dieser Fülle und Großartigkeit erlebte Dinge sein. Selbst ich wurde von den Burschen in ihre Gefühle hinein gerissen.

„K-AF 1997“ heißt: Köln-Afrika 1997
Es war übrigens, um auch etwas für die Geschichtsschreibung zu leisten, ein Donnerstag, der 31. Juli des Jahres 1997. Da fällt mir ein: Ich habe noch gar nicht erwähnt, wie stolz ich auf meinen „Namen“, sprich auf mein Kennzeichen war und immer noch bin: K – AF 1997. Klar? Kölner in Afrika im Jahr 1997.
Natürlich hat mich seinerzeit auch interessiert, in welchem „Container“ es meine „Besitzer“ nach Walvisbay geschafft hatten. Nur kurz, aber doch so viel: Die waren, in einer dreiwöchigen Westafrika-Tour, ab Abidjan durch die Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Benin und wieder zurück nach Abidjan getourt. Von dort ging’s für sie per Flugzeug via Kinshasa, der Hauptstadt des damals politisch zerrissen Zaire, nach Johannesburg. Michaels 20. Geburtstag wurde übrigens da, am 27. Juli, bei einem Chinesen gefeiert. Von dort, nach einem ereignisreichen Wochenende mit City-Bummel unter Polizeibegleitung und einer unvorhergesehenen Einladung zu einer Kunst – Vernissage in der „National Galerie“ des Landes, flogen die drei mir „entgegen“– nach Windhuk, Namibias damals recht gemächlicher Hauptstadt. Mit deutschem Café, deutscher (Kolonial-)Kirche, und noch manch‘ anderer Erinnerung an die Herrschaft über „Deutsch Südwest“.

Mit einem schwarzen Bodyguard im Museum
Vielleicht noch ein klärendes Wort zu der eben erwähnten „Polizeibegleitung“. Johannesburg hatte nicht nur den Ruf, es war auch real eine der kriminellsten Städte der Hemisphäre. So riet man meinem Trio, als das, an der Rezeption eines erstklassigen Hotels inmitten der City vorbei zu einem Stadtbummel dem Ausgang zustrebte, sich doch in die Obhut eines polizeilichen Bodyguards zu begeben. Erstaunen bei den Drei. Doch dann war‘s auch schon getan: In Rufnähe des Hotels war eine Station, in der sich naiv-vertrauensvolle Reisende tatsächlich einen Bodyguard, ja: einen echten Polizisten kostenfrei „mieten“ konnten. Meine Jungs hatten, wie sie immer wieder erzählen, einen tollen Burschen. Mit Pistole und Schussweste ausgestattet – doch gar nicht militärisch exakt. Da mag es auch erwähnenswert sein, dass er mit meinen Jungs gemeinsam – er hatte unterwegs noch einen Freund aufgegabelt – zu einer Vernissage in die „National-Galerie“ eingeladen wurde. Bei Sekt und Häppchen eine unerwartete Erfahrung im doch so gefährlichen und rassistischen Johannesburg. Denn dass der „Privat-Polizist“ und sein Freund Schwarze waren, soll nicht unerwähnt bleiben. Eine doppelt angenehme Erfahrung im ehemaligen Apartheidstaat Südafrika. Aber pardon!, Ich verliere mich zu sehr in Erzählungen anderer. Also wieder zu mir und meinen blechern-roten Gefühlen.

Grüße von Moltke und Kaiser Wilhelm
Da stand ich also: Rot vor Begeisterung, erfreut über die strahlenden Gesichter des Trios, das mich aus der Dunkelheit des Containers erlöst hatte. Walvisbay. Das allein lässt an fremde Welten denken. Es war übrigens der letzte Juli -Tag des Jahres 1997, an dem mich Flamingos daran erinnerten, dass ich in Afrika war.Umso verblüffender, ja verrückter, sich wenig später wieder wie in Deutschland zu fühlen. Swakopmund heißt das Städtchen, in dem ich an meinen PS zweifelte. Wurde ich doch durch Straßen gesteuert, deren Namen an alte deutsche Zeiten erinnerten. Moltke grüßte, Kaiser Wilhelms Name verlieh einer anderen Straße preußisch-deutsches Kolonial-Flair. Und was einst, während der deutschen Herrschaft über „Deutsch Südwest“ im „Alten Amtsgericht“ verhandelt wurde, dürfte heutigen Kriterien kaum mehr standhalten.

Das Pflanzenwunder Welwitschia
Doch was rede ich von Politik und historischen deutschen Straßennamen. Raus soll’s gehen, raus in die Natur des Landes. Einen ersten, dafür gleich unvergesslichen Eindruck erhalte ich, als mich mein Trio am späten Nachmittag an den Rand einer Mondlandschaft steuert. Ganz in der Nähe städtischen Lebens fiel mir kaum was auf in dieser Ödnis. Allenfalls eine Pflanze, die sich, wie erschlafft am Boden dieser Ödnis scheinbar nur dahinvegetierend, als eine der standhaftesten und ältesten in dieser kargen Wüstenwelt herausstellte: die Welwitschia, deren Zuname „Mirabilis“ ihr wahrlich Ehre macht. Bewundernswert ist sie nicht nur, weil die 2000 Jahre alt werden kann, sondern auch in der Wüste überlebt. Dazu begnügt sie sich mit dem Tau der Nacht und der Nebel- Feuchtigkeit, für die der kalte Benguela-Strom sorgt, der die Küste entlang streicht. Morgennebel ist die Regel – und die Wunderpflanze deswegen vor allem zwischen Küste und nahem Wüstenrand rund um Swakopmund zuhause.

Es stinkt erbärmlich am Cape Cross
Doch weiter im Takt. Ich will mehr erleben. Zeigen, was ich drauf habe, wenn mein Viergang-Getriebe gefragt ist. Doch noch dauert es. Zuvor geht’s nach Norden, die Küste entlang. Wie Ferien für mich. Jedenfalls bis zum „Cape Cross“, der Heimat von, so sagt man, an die 100.000 Robben. Wieso „Cape Cross“ erschloss sich nicht so recht. Ein „Kreuz“ war allenfalls, jedenfalls für mein Trio, der Gestank, der weithin die Küstenluft verpestete. Und so konnte man das „Cape“ auch als Umhang übersetzen, mit dem man sich davor schützen konnte. So blieb es beim „Kreuz“ für die Nase. Nach den ersten Tagen auf afrikanischem Boden hatte ich mich trotzdem sehr flott an die fremde Umgebung gewöhnt.

Versteinerte Bäume und Feldmalereien
Ich hörte phantastische Geschichten von Felsmalereien in Twyfelfontein, von angeblich „versteinerten Bäumen“ und sah meine ersten Paviane. Doch Aufregung sieht anders aus. Bis die Etosha-Pfanne vor uns lag – und die Tierwelt kaum noch überschaubar war. Zebras und Oryxe am Wasserloch, riesige Elefantenherden, die, wenn nicht gerade am Wasser, in geradezu aufreizender wie zugleich höchst eleganter Haltung „unsere“ Straßen überquerten. Traumhaft schöne Bilder schon jetzt.

Bedenkliche Momente an der Grenze
Apropos überqueren. Der Caprivi – Zipfel, ein allenfalls 50 km breiter und 400 km langer schmaler Landstreifen Namibias, der im Norden an Angola und im Süden an Botswana grenzt, lag bereits hinter uns, als ich mal wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Ins Visier der Grenzer nämlich, die die Erlaubnis zum „Überqueren“ in bedenkliche Länge zogen. Das Carnet, ein Papier äußerster Pingeligkeit und voller bürokratischer Stolpersteine, brachte mein Trio nur kurz in Verlegenheit. Also rüber, nach Botswana. Und damit, so schwärmten meine drei, ins Land paradiesischer Natur und Tierwelt.

Schlammpisten und Steppen warteten
Ich konnte gar nicht umhin, mich ebenfalls in eine wahre Begeisterung zu steigern. Schließlich hatte ich mitbekommen, dass und welche Abenteuer vor uns lagen und auf uns warteten.Und bewältigt werden mussten.Pardon!, aber ich spreche jetzt von mir. Schlammpisten und tiefe Sandspuren lagen vor uns. Bäche, die es zu durchfurchen gab, umgestürzte Bäume, aus dem Busch urplötzlich und zuvor nicht erahnte Elefanten- und Büffelherden. Mir lief es schon herrlich über den mit einem Schiebefenster verschönten Dachrücken. Schließlich kam ich nun endlich in die Welt, die wie für mich geschaffen war, besser: für die ich konstruiert war: Vierradantrieb, hohe Achsen, Robustheit. Dinge also, die mir auf europäischen Autobahnen, im Flachland zumal, ziemlich peinlich waren.

Mit dem Flugzeug über das Okavango-Delta
Ehe es wirklich ernst wurde, ehe ich meine Jungs durchs Okavango-Delta bugsieren sollte und Ihnen beweisen konnte, dass meine „Adoption“ durch sie keine Fehlinvestition war, gab’s freilich erst mal eine Pause. In Maun, einer Art Drehkreuz für Touristenflüge, hatten meine drei einen Rundflug gebucht – und ich konnte mich derweil auf das Abenteuer im vielleicht spannendsten Land Afrikas einstimmen.Vielleicht sollte ich aber noch kurz erwähnen, dass ich, mit dem Ältesten der drei am Steuer, leider zwei Vögeln ins Jenseits verholfen habe. Im Stichwort-Tagebuch eines der Söhne heißt es, der Vater habe sie „platt gefahren“. Man spürt: Das war ans Gemüt gegangen. Wichtig ist aber auch zu wissen: Hätten meine „Nacht-Augen“, also die Scheinwerfer, keine Gitter vor dem Glas gehabt, wäre ich sicher längst „erblindet“. So ohne war, auch wenn’s nur ein kleiner „Unfall“ war, die Reise schon von Beginn an nicht.

Amadeus grunzt ums Zelt
Endlich ging’s weiter, endlich mitten ins Delta. Auf dem Weg zur „Okuti–Lodge“ im „Moremi Wildlife Reservat“: eine tote Schlange, ein toter Schakal, eine tote Eule. Diemal war ich nicht dran schuld. Aber alles andere lebte. Auch das Flusspferd, das sich abends durch die Zelt-Lodge grunzte. Soviel ich verstanden habe, hatte es den Namen Amadeus. Nun ja, aber an den Namensvetter, das Musikgenie aus Europa, erinnerte wenig. Weder die Töne noch die ausladend-gemütliche Figur.

Die Story von den besoffenen Elefanten
Mitgekriegt habe ich natürlich auch die Erzählungen von Elefanten, die sich regelmäßig an den Früchten des Amarula-Baumes gütlich tun – und, falls die Fresslust zu groß ist, torkelnd davon ziehen. Die Früchte, im riesigen Magen gärend, wirken nämlich schnell wie Alkohol. Übrigens haben meine drei im „Okuti“ (auch und erstmals) den gelben Likör namens „Amarula“ zu sich genommen. Um es den Elefanten gleich zu tun, waren die Mengen wohl zu klein. Vielleicht auch zu teuer. Denn – auch das habe ich mitbekommen, – diese und die meisten anderen Lodgen waren und sind sauteuer. 

Meine ersten Krokodile
Am nächsten Tag, an dem wir gemeinsam auf die Pirsch gingen – meistens durfte, besser: musste ich ausruhen, weil mein Trio auf Safari mit „hauseigenen“ Fahrzeugen ging –, sah ich erstmals Krokodile. Giraffen, Zebras, Säbelantilopen waren schon Alltag für mich. Selbst als ich kaum fünf Meter neben zwei riesigen Löwen anhalten musste, verloren sich Respekt oder gar Angst schnell. Die Herren gaben sich so desinteressiert, dass es schon an Arroganz grenzte. Da waren Elefanten und Büffel doch von  anderer Qualität, sprich: Charakter. Wie riesig Elefantenohren sind, erlebt jeder schnell, wenn er der Leitkuh zu nahe kommt und die die Ohren aufstellt. Vor ihnen, auch vor Büffeln und erst recht vor Nashörnern habe ich mich immer auf Flucht eingestellt: Rückwärts ran – um, falls nötig, möglichst rasch das Weite zu suchen. 

Affe klaut und frisst eine Kerze
An die „Iden des August“, also an den 15. August, erinnere ich mich mit besonderem Stolz – auch wegen eines diebischen Affen. Aber  vor allem deswegen, weil einer meiner drei Männer die Bemerkung „Patrol topfit“ ins Tagebuch eingraviert hat. Wir hatten an diesem Tag nämlich bereits ein tiefes, nicht recht ausmessbares Wasserloch, dem im Busch nicht auszuweichen war, zu überwinden. „Topfit“ muss ich also gewesen sein. Jedenfalls haben wir’s, beobachtet von einem Rudel Wasserbüffel, geschafft, ohne hängen zu bleiben. Und der Affe? Der tanzte doch wirklich auf mir rum, nahm die Gelegenheit der offenen Hecktür wahr, klaute eine Kerze – und fraß sie auf.

Die Fotografin Moira und ihre Elefanten
Den Tag danach werde ich ebenfalls nicht vergessen. Meine Jungs trauten sich nämlich, mit mir „im Rücken“, auf einer Safari rund um das  „Savuti Lloyds Camp“, so nah an eine zehnköpfige Herde von Elefantenbullen ran, dass selbst mir komisch wurde. Doch wir hatten ein „Schutzschild“ – eine Frau! Moira hieß sie, war Fotografin – übrigens war sie einst schon mit Dr. Grzimek auf Serengeti-Tour – und hatte zu der Bullengruppe ein ganz besonderes Verhältnis: Weil sie die schon lange beobachtete und begleitete, hatten sie Vertrauen zu ihr aufgebaut und ließen sie, und mit ihr auch uns, viel näher als üblich an sich heran. Ein tolles Erlebnis. Und von wegen, rot reizt die Tiere. Mein Rot war offenbar eine Farbe, die Nähe erlaubte. Wie das Rot der Liebe.

Hyänen rasen durch die Küche
Die Tage im „Lloyds Camp“ boten aber noch einen weiteren Höhepunkt. Wenn man den Höhepunkt nennen kann, was eine Horde wilder Hyänen in und mit einer Küche im Freien anstellte. Und vor allem: mit welchem Spektakel! Selbst mich brachten sie an die Grenze. Mitten in der Nacht begann plötzlich ein erbärmliches Gejaule, dass es einen schaudern ließ. Dazu knallte und schepperte es, als würden Dutzende Hyänen die Küche auseinandernehmen und  Blechtöpfe durch die Gegend schmettern. Jetzt verstanden auch meine Jungs, weshalb sie – tatsächlich! – Pisspötte unter den Betten liegen hatten. Für den Fall, dass sie des Nachts die Notdurft überwältigen sollte.  Die Toilette draußen, so der Hinweis am Abend zuvor, sollte man nachts tunlichst nicht aufsuchen. Wenn man nun weiß, dass Hyänen das stärkste Gebiss aller Tiere haben und nur die Zeltplane, gerade mal einige Millimeter dick, zwischen Ihnen und „meinen Jungs“ als Trennwand existierte, konnte man schon vor Respekt und Schrecken erstarren.

Fast im Sand versackt
Kaum war der Schrecken aus den Jungs und aus meinem Blechkleid geschüttelt, gab’s die nächste kritische Situation. Nun wurde  freilich vor allem  ich auf die härteste Probe gestellt. Gut, der Mann an meinem Steuer musste „mitspielen“, sprich: das, was ich im tiefen Sand zu leisten imstande war, fahrerisch gekonnt unterstützen. Im bereits erwähnten Stichwort-Tagebuch vermerkt mein Team zu dieser Situation nur kurz und knapp: „Schrecklichste Straße“. Vor und neben mir hatten sich bereits zwei „Kollegen“, also Vierradantriebler, im Sand der Piste festgefahren. „Bloß nicht anhalten“, bloß nicht im Sand versinken, wurde gedacht und auch lauthals beschworen. Und es gelang: Ich kam durch und raus aus der Sandkiste. Aufatmen bei meinen Jungs und stolz bei mir! Nicht dass ich mich auf diesem Verdienst ausruhen wollte. Aber schön war’s doch.

Flug meiner Jungs über die Victoria-Fälle
Die Tage danach waren meine Jungs auch mal ohne mich unterwegs. Schließlich braucht man auch keinen Patrol, wenn man die Victoria-Fälle bewundern will. Dass mein Trio dabei mal kurz fremd ging, war auch kaum zu vermeiden. Sie flogen nämlich über die Fälle, während ich mich ausruhen durfte. Übrigens war die Fahrt von Botswana nach Simbabwe kein Problem.

Mit dem Schiff über den Kariba-Stausee
Dann ging’s weiter. Tiere überall. Ein Paradies. Eine ungewöhnlich „erfolgreiche“ Fahrt in den „Hwange Nationalpark“ merkt das Tagebuch kurz an. Aber auch durch beeindruckende Dörfer konnte ich mein Trio kutschieren. Hügelige Landschaften zogen vorbei. Bis wir zum Kariba-Stausee kamen, auf dem wir, mit einer Fähre, einen Tag und eine Nacht lang unterwegs waren. Bis zum Ende dieses zweitgrößten Stausees der Erde. Von dort aus ging’s nach Harare, der Hauptstadt Zimbabwes. Und über Bulawajo in den „Krüger- Nationalpark“. Dort konnte ich endlich meinen ersten Leopard bewundern, der an einem toten Impala herumknabberte. In der Astgabel eines Baumes, hoch droben und kaum zu entdecken. Löwen lungerten auf unserem Weg. Eine Giraffe hatten sie erbeutet. Gnus und Zebras liefen mir vor die Schnauze, von Elefanten, Giraffen und Zebras ganz zu schweigen.

Mosambik nach brutalem Bürgerkrieg
Eine Fahrt ganz besondere Art stand nun noch auf dem Afrika-Plan: Maputo, die Hauptstadt Mosambiks. An der Grenze galt mal wieder die Devise: „Eintrittspreis“. Aber mein Carnet hielt stand. Ich durfte mit. Wie auch anders in einem Land, das damals noch sichtbar unter den Folgen eines grausamen Bürgerkriegs litt. Ortsschilder wiesen Schuss-Löcher auf, „Kollegen“ lagen als Wracks unbrauchbar am Straßenrand. Die Menschen fuhren auf LKWs übers Land. Busse gab es noch nicht wieder. Ich war froh, am Luxushotel „Polana“, das aus dem überall sichtbaren Elend herausragte, erst mal verschnaufen zu können. Wahrscheinlich hätte ich es auch gar nicht ertragen, das zu erleben, wovon mein Trio redete: Abends feierte, als lebten die Menschen  im Schlaraffenland, eine portugiesische Firma ihr 100-jähriges Bestehen. Mosambiks Präsident ließ sich dabei hofieren, der Premierminister umschwärmen. Und zum Schluss zierte ein Feuerwerk den Himmel über dem Hotel – über einem bitterarmen Maputo.

Abschied von Luxus und Elend
Selbst ich war froh, wieder aufbrechen zu können. Raus aus dieser korrupten Umgebung, zurück zu den Tieren – erstmal. Da war die Fahrt zurück, zuerst nach Südafrika, dann durch das von starkem Regen triefnasse Swasiland, dann wieder zurück nach Südafrika, geradezu eine Erholung. In Natal haben es mir, immer noch im Regen und auf aufgeweichten Pisten, die Nashörner angetan. Nirgends sonst als hier, im „Hluhluwe“  und „Umfolozi-Nationalpark“, waren sie zahlreicher und selbstverständlicher zu Hause. Im Nebel wirkten sie wie Lebewesen von einem anderen Stern. Dabei musste ich stets aufpassen, nicht in Schlamm und Wasser abzusaufen. Zwei Flussdurchfahrten machten freilich Spaß. Und wer, wie ich, eine zweimonatige Afrika-Tour über Savanne- und Steppen-Pisten, durch Flüsse und tiefgründige Sandpisten unbeschadet überstanden hat, darf sicher ein wenig stolz sein.Ich war’s.

Ende und Trennung in Durban
Gut war auch, dass es meinen Jungens nicht gelang – das war freilich, wie ich hörte, längst vergessen –, mich in Südafrika los zu werden, sprich: mich zu verkaufen.  Wir waren wohl zu eng zusammengewachsen. Kein Wunder, wenn man sich auf einander verlassen kann und muss. Aber dann kam doch eine schmerzhafte, wenn auch nur kurze Trennung: Ich wurde in Durban zur Rückreise nach Bremerhaven verabschiedet, während meine Jungs noch weiter, nach Kapstadt flogen und dort, ganz ohne mich, ein paar Tage verbrachten. Schon zwei Wochen später waren wir wieder vereint: Die beiden Jungs holten mich in Bremerhaven ab – und es ging zurück, ins rheinische Köln.

Happy End in Köln am Rhein
Nun ist diese Geschichte freilich noch gar nicht zu Ende. Aus meiner Sicht kommt das Beste nämlich ganz zum Schluss. Wie ein Happy End. Denn ehe ich, nach dem Motto: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“, auf den Markt zum Verkauf geworfen wurde, griff, wie ein Wunder, einer der Jungs ein: „Sollen wir unseren Patrol nicht behalten?“ Und welch’ Wunder: Ich durfte bleiben und bin nun, genau 20 Jahre nach unserem Afrika-Abenteuer, noch immer  Mitglied des Dreigestirns. Und noch immer mit dem nun bereits historisch anmutenden Schild: K-AF 1997.

Ein kleines „Aber“ bleibt
Ein kleines „Aber“ bleibt: Seit Mitte 2017 stehe ich in einer Garage vor den Toren Kölns. Der „Diesel“, zu dessen Familie ich gehöre, hat sich zum Schwarzen Schaf der Gesellschaft entwickelt. Vielleicht darf ich aber vor den Toren des Molochs Großstadt mein „Gnadenbrot“ noch lange verzehren. Bis ich als „Oldtimer“ anerkannt werde und auch als Diesel– Rentner in die Innenstadt darf. Danke an die ungewöhnlichen Drei, dass ich mit Ihnen Afrika erobern durfte – und ich weiterleben darf. Als Rentner.