Pantomime trifft auf Sprachgewalt

von Christian Hennecke

Die St. Michael Kirche am Brüsseler Platz ist – für Corona-Verhältnisse – gut gefüllt. Natürlich alles auf Abstand und mit viel Platz insbesondere nach oben unterm hohen Kirchengewölbe. Schon oft ist Milan Sladek hier aufgetreten. Nun spielt der gut 80’jährige, in Köln bestens bekannte Pantomime den King Lear, den alternden Monarchen aus Shakespeares Drama, der seine Macht – nicht ganz unverschuldet – an die intrigante Nachkommenschaft verliert.

Sladek selbst scheint allerdings keine Altersmüdigkeit zu kennen. Nachdem er, der gebürtige Slowake, seit langem schon Kölner Immi, den güldenen Mundschutz abgezogen und das Gesicht weiß geschminkt hat, kann das Spiel beginnen. Und es beginnt mit einer herrlich einfachen Pantomime, wie man sie von Sladek kennt. Hier ist er erst fürsorglicher Vater, eine Drehung genügt und er wird zum nuckelnden Baby. Das geht munter hin & her, das Kind wird groß und der Vater geht letztlich am Stock.

Nun kommt Hansgünther Heyme ins Spiel, selbst bereits 85, deutscher Theatertitan und in den 70’ern Schauspiel-Chef in Köln. Am Rand der Bühne am Lesepult sitzend, erhebt er die wuchtige Stimme und spricht mit schauspielerischer Finesse die Charaktere ein, die zu Lears Gegenspielern werden. Deren Antlitze sind auf der kargen Bühne nur in Form von Masken und künstlichen Köpfen präsent, mit denen Sladek spielt. Oder – sehr schön – im Falle der Königstöchter als Teller mit aufgemalten Gesichtern.

Und Milan Sladek spricht auch! Den Lear. Daran muss sich die Fan-Gemeinde erstmal gewöhnen. Doch er macht eine recht passable Figur in seiner neuen Rolle als sprechender Pantomime, auch wenn es ihm letztlich nicht überzeugend gelingt, beide Künste zu verschmelzen. Und Heyme erfüllt das Kirchenschiff mit der markanten Stimme des Schauspielers. Das Manko nur: Leider versteht man beide akustisch kaum – jedenfalls nicht in den hinteren Reihen. Der Hall der Theaterkirche legt sich wie Brei über das Gesprochene. Das ist sehr schade, weil man daher bald den roten Faden der Geschichte verliert und damit auch das Verständnis für Heymes stark eingedampfte Fassung.

Gleichwohl gelingen schöne Szenen im Schlagabtausch der beiden, in denen die alten Haudegen ihre eigene Betagtheit in der des Lear ironisch spiegeln. Herrlich wenn Heyme dem Kollegen souffliert „Ich bin ein kindisch, alter Mann.“ und Sladek als Lear nur sinniert „Ja ja, genau das bin ich.“ Und natürlich ist da noch das pantomimische Spiel Sladeks, in dem er stets die ihn umgebenden Utensilien einbezieht. Den Narr hatte er gleich zu Beginn mit auf die Bühne gebracht, in Form einer kleinen Vogelscheuche mit Maske. Später streift er sich als Lear selbst diese Maske übers Gesicht. Der König wird zu seinem eigenen Narren. Da sind wir dann ganz bei Shakespeare!

Weitere Aufführungen: 5.,6. & 7. November / Dauer: ca. 1 Stunde