Erste Fritten aus Amsterdam



Holland – die zweite Heimat eines Rheinländers

Von Günther Hennecke

Holland – Das waren noch Zeiten. Damals, in den fünfziger Jahren, als die Kalverstraat in Amsterdam bereits Fußgängerzone war. Eine der ersten in Europa. In einem Land, in dem  Fahrradfahrer bereits damals die stärkste „Fraktion“ bildeten. Damals, als man, so wie wir, Gymnasiasten aus dem deutschen Düsseldorf, allererste Bekanntschaft mit „Pommes frites“ machten. In einer handgeformten Tüte aus Zeitungspapier gerieten sie für uns zu einem geradezu exotischen Abenteuer.

Und wie  hat uns, in einer Kirche in Noordwijk, ein Schildchen am Beichtstuhl in helles Gelächter ausbrechen lassen: „3 x bellen“ stand da. Wir trauten uns natürlich nicht, der Aufforderung zu folgen, doch wurde uns klar, dass England nicht weit entfernt war: „Klingeln“ sollte man also, wenn man seine Sünden los werden wollte. Ob’s gereicht hätte? Hunde-Gebell hätte wohl wenig geholfen.

Es war eine unbeschwerte Schüler-Zeit. Auch wenn uns nicht selten – wohlgemerkt Anfang der Fünfzigerjahre – bewusst wurde, dass der 2. Weltkrieg mit seinen Auswirkungen auf Holland noch lange nicht vergessen war. Deutscher zu sein, und sei es mit gerade mal  14 Jahren, hieß: so manche nicht gerade freundliche Bemerkung über sich ergehen lassen zu müssen.

Entscheidendes hatte sich, gottseidank, doch recht bald geändert. Schon die 14-tägige Klassenfahrt zum Ende der Gymnasialzeit, die uns auf die Insel Vlieland verschlug, führte in eine wesentlich entspanntere Welt. Vielleicht auch deswegen, weil die O1a, die Oberprima aus Düsseldorf, gegen den FC Vlieland mit 0:9  das Nachsehen hatte. Es war, natürlich, ein riesiger Spaß.

Die Reiselust wuchs, die Menschen lernten sich näher kennen, und vor allem die Rheinländer machten die holländische Nordsee-Küste zwischen Domburg und Den Helder zu einem äußerst beliebten Ferienziel. Mit Kind und Kegel – und alte Vor-Urteile schmolzen allmählich dahin.
 In den Sechzigern und frühen Siebzigern waren dann die „Loosdrechter Plassen“, ein grandioses und unkompliziertes Segelparadies zwischen Utrecht und Amsterdam, an fast jedem Sommer-Wochenende Treffpunkt der  Jugend aus Köln und Krefeld, Düsseldorf und Essen. Ganze 70 Gulden kostete ein Boot pro Tag bei Ottenhome in Old Loosdrecht. Nach einem Segelschein wurde nie gefragt. Und ob der Name, den man bei der Übernahme des Bootes nannte stimmte, wurde angenommen, aber nie kontrolliert.

So wurde uns, allmählich „befreit“ von den uns Jahre zuvor noch nachschallenden, nicht immer freundlichen Bemerkungen, Holland zu einer Art zweiten Heimat. Und nicht nur die allseits bekannten Seebäder Scheveningen, Noordwijk und Domburg wurden regelmäßige Ziele für uns Rheinländer. Wir „eroberten“ uns auch Geheimtipps abseits der nahe gelegenen Strände und Seebäder.

Zu einer dieser Entdeckungen, seit Anfang der siebziger Jahre immer wieder gerne  besucht, geriet das eher unscheinbar wirkende Bergen aan Zee in Noord Holland. Das nun ist eine ganz eigene Geschichte – fast eine Liebesgeschichte.