Margaret Craven – „Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“

Aus dem wahren Norden

Margaret Cravens Roman mit dem langen, sonderbaren Titel „Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ spielt im hohen Norden Kanadas. Dorthin schickt ein Bischof einen jungen, eben geweihten Priester, den Protagonisten. Mark ist todkrank, weiß es aber nicht. Er nimmt sein Kreuz freudig auf sich, lernt die Indianer der fernen, abgelegenen Siedlung kennen, passt sich an, leistet die spirituellen Dienste, die von ihm erwartet werden, tut aber viel mehr: er arbeitet mit, nimmt Anteil am Leben seiner Gemeinde, lernt die Sprache  und erringt so in einem langen Prozess der vorsichtigen, rücksichts- und respektvollen Annäherung das Vertrauen und schließlich sogar die Freundschaft der Indianer.

Margaret Craven beschwört eine elegische, oft melancholische Stimmung, nicht nur durch die Handlungsführung, die auf den Tod des Protagonisten zuführt – ganz anders als gedacht – sondern sie evoziert auch diese Melancholie durch Landschaftsbeschreibungen: das felsige Land, die bewaldeten Buchten und vor allem: Wasser, Wasser, Wasser: das Meer, die Flüsse. Das Leben der Indianer, die ihre Traditionen zu hüten versuchen, scheint naturnäher als die Welt, aus der Mark und sein Bischof kommen – aber dieses Leben (v)erlischt langsam, die Gemeinde wird nicht mehr lange existieren – ein tiefer Grund für die Schwermut, die das Buch grundiert.

Ist das sentimental? Die Frage lässt sich nicht unterdrücken – und dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) ist das Buch – und die einfühlsame Übersetzung von Kai Molvig –  lesenswert – bis zur letzten Seite.

                                                                                                         Ulrich Fischer

Margaret Craven, „Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“
Deutsch von Kai Molvig – rororo, 154 Seiten, 10 €

Margaret Craven, geboren 1901 in Helena (USA), verbrachte ihre Jugend im Staate Washington. Nach Studien an der Stanford University war sie Kolumnistin für eine Zeitung. Später arbeitete sie als freie Schriftstellerin. Margaret Craven starb 1980 in Sacramento.