Mittsommernachtsalptraum

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Oliver Bukowskis „Ich habe Bryan Adams geschreddert“ in Göttingen uraufgeführt

 

GÖTTINGEN.  Die Uraufführung von „Ich habe Bryan Adams geschreddert“ beginnt im Großen Haus des Deutschen Theaters in Göttingen an einem Sommerabend, Sonnenwende – ideal für eine Gartenparty. Peukerts haben eingeladen. ALLES ist da, was das Herz begehrt: Der neue Grill; ein üppiges Buffet; eine Getränkeauswahl, die Ausschweifungen begünstigt. Langes sind eingeladen, Mitarbeiter von Vater Frank Peukert, und auch Paula, eine weitere Mitarbeiterin mit ihrem neuen Freund. Deutscher Wohlstand, Genuss nach harter Arbeit, gar Gemütlichkeit? Oliver Bukowski, einer der unnachsichtigsten Kritiker des Neoliberalismus, weckt schon mit seiner ersten Regieanweisung das Misstrauen seiner Zuschauer: Das brandneue Notstromaggregat „springt an, der Motor jault auf, bollert und stottert.“ Erst einmal baut Bukowski eine Fassade des bürgerlichen Idylls auf, dann destruiert er es – genüsslich und mit einem Humor, der es bei seiner Pointendichte mit amerikanischen Punchlines aufnehmen kann.

 

Der Schein trügt

 

 Natürlich kommt die Sprache auf  die Arbeit – und auf einen Kollegen, der eingeladen ist und nicht kommt. Seine Abwesenheit wirkt stärker, als wenn er anwesend wäre. Denn dem Kollegen ist gekündigt worden. Leider, leider. Aber es muss optimiert, soll gespart werden. Alle sind froh, dass es sie nicht getroffen hat – und sie sind in einer prekären Situation. Denn der Rotstift wütet weiter. Bald muss die nächste Stelle eingespart werden – wer ist diesmal dran? Alle sind schon in Stellung gegangen – der Chef verteidigt seinen Job,  Patrick Lange besucht Kurse zur Selbstoptimierung,  gefährlich!

 

Alle sägen an dem Ast, auf dem sie sitzen – sie wissen es und sehen, so klar sie die Situation analysieren,  keinen Ausweg. Denn Simone Langes Wendung zu geistigen Getränken ist keiner. Er ist die Folge ihrer Einsicht. Saufen als Eskapismus. Nur Jannik, der Sohn der Peukerts, scheint fröhlich. Er macht sich lustig über seine Eltern – aber der Überlegenheitsgestus ist unbegründet – gefragt, was er machen will, um aus der Falle herauszukommen, ist er ratlos – ratlos wie Simones Freund Sascha. Der arbeitet als Fluglotse. Er sagt, Fluglotsen könnten nie durch Maschinen ersetzt werden. Nie!! Er sagt es mit schriller Stimme, denn Jannik erzählt genüsslich, dass längst ein Programm erarbeitet wird, das Fluglotsen vollständig durch Computer ersetzt. Besser, zuverlässiger, billiger!

 

Bukowski hat seine Geschichte, wie immer, klug konstruiert, sie ist kritisch, komisch und erfüllt die schwierigste Anforderung an ein klassisches Stück wie nebenbei: die Einheit von Ort, Zeit und Handlung.  Oliver Bukowski ist einer der scharfsinnigsten Dramatiker unserer Zeit – und das hinterlässt Spuren im Dialog. Er ist aufs äußerste verdichtet und stellt höchste Anforderungen an die Schauspieler.

 

Komödie und Farce

 

Michael Kessler hat bei seiner Uraufführungsinszenierung darauf Rücksicht genommen, stellt sich, vom Herkommen selbst Mime,  ganz in den Dienst des Stücks, seines spielfreudigen Ensembles und des Publikums. Bis auf Luan Seidel, der Jannik, den hoffnungsvollen Nachwuchs mit dem Röntgenblick für die Zukunft verkörpert, ist die Spieldisziplin und die Artikulation bei allen ohne Fehl und Tadel, mehr als die Hälfte der Pointen kommen über die Rampe. Die Stimmung in Göttingens Großem Haus ist ausgezeichnet, es wird viel gelacht.

 

Die Komödienebene von Bukowskis neuem Meisterwerk wird bei der Uraufführung entfaltet, das ist viel. Aber es fehlt eine zweite Schicht, die der schrillen Farce, die voller Verzweiflung eine/unsere Situation analysiert, die sehr ernst, den Figuren zumindest gar aussichtslos erscheint.

 

Am Ende, nach knapp anderthalb Stunden intensivster SpielZeit, ist die Sonnenwende vorbei, die Tage werden jetzt kürzer, die Nächte länger, dunkler. Von nun an geht’s bergab.

 

Ulrich Fischer

 

Aufführungen am 26. und 28. Feb.; 6., 12., 17.  und 26. März. – Spieldauer: 80 Min.

 

Internet: www.dt-goettingen.de – Kartentelefon: 0551 496911