Frauen gegen den Krieg

 

Katie Mitchell über ihr neues Projekt bei den Salzburger Festwochen

 

SALZBURG. Katie Mitchell hat inzwischen europäisches Format. Die englische Regisseurin hatte kaum eine Inszenierung an der Berliner Staatsoper abgeschlossen, als sie sich schon einem neuen Projekt zuwandte: „The Forbidden Zone“ (dt.: „Die verbotene Zone“), ein Antikriegsstück von Duncan Macmillan, mit Clara Immerwahr und ihrer Enkelin Claire Haber im Mittelpunkt.

 

Frage: Sie haben schon einmal in Salzburg bei den Festspielen inszeniert, eine Oper, jetzt inszenieren Sie wieder in und für Salzburg, diesmal ein Schauspiel. Titel: „The Forbidden Zone“ – „Die Verbotene Zone“. Duncan Macmillan schreibt den Text, ein junger britischer Dramatiker, bei uns auf dem Kontinent noch nicht so sehr bekannt.  Mit Macmillan haben Sie schon zusammengearbeitet. Was ist er für ein Dramatiker?

 

Mitchell: Duncan Macmillan ist derzeit  vermutlich der wichtigste junge britische Dramatiker. Formal ist er radikal, er ist ein Intellektueller, und er ist sehr ernst. Bislang hat er mit mir bei Friederike Mayröckers Bühnenadaption ihrer „Reise durch die Nacht“ zusammengearbeitet, und ich hab sein Stück „Atmen“ über Umweltprobleme inszeniert, das gerade an der Schaubühne in Berlin läuft.

 

Ich glaube, er ist wirklich ein einzigartig kraftvoller Künstler. Er ist auch ein starker Feminist!

 

Frage: Hat er ein konventionelles Drama geschrieben?

 

Mitchell: Für „The Forbidden Zone“ hat er ein in keiner Weise konventionelles Stück geschrieben. Tatsächlich hat er ein Drehbuch für Lebendiges Kino geschrieben: Wir haben fünf Live-Kameras, die die ganze Handlung aufnehmen. Wir haben vier Handlungsorte für Filme, Filmsets: eine U-Bahn, die sich bewegt in Chicago, 1949;  Clara Immerwahrs Haus in Berlin, 1915; eine Rekrutierungsstelle in Belgien, auch 1915, und ein Labor in Chicago 1949.

 

Die Handlung entspinnt sich zwischen diesen vier Handlungsorten, wir haben fünf Live-Video-Kameras, eine enorm große Leinwand und eine unheimlich dynamische Klangkulisse.

 

Frage: Welche Figuren sind am wichtigsten?

 

Mitchell: Diese Inszenierung rückt zwei kritische Figuren in den Mittelpunkt. Die erste ist Clara Immerwahr, die Frau von Fritz Haber, der das berühmte Düngemittel erfand und auch Chlorgas, das in Ypern im April 1915  eingesetzt wurde. Clara Immerwahr beging Selbstmord – wir glauben aus Protest gegen Fritz Habers Gebrauch der Wissenschaft, die Entwicklung von Giftgas als Massenvernichtungsmittel. Sie spielt die erste Hauptrolle.

 

Die zweite Hauptrolle haben wir ihrer Enkelin zugewiesen, sie war auch Chemikerin und hieß Clare Haber. Sie lebte in Chicago und arbeitete an Gegengiften, gegen Massenvernichtungsmittel. Sie beging tragischer- und traurigerweise 1949, nach dem Zweiten Weltkrieg, auch Selbstmord.

 

Frage: Wie gehen Sie an diese Inszenierung heran? Wie bereiten Sie sich vor?

 

Mitchell: Die Vorbereitungen für die Proben dieser Lebendiges Kino-Technik sind wirklich intensiv. Wir müssen alle in einem Raum sein, gleich von Anfang an, mit allem Licht, allem Ton, mit allen Kameras. Das Personal ist riesig, Toningenieure, Beleuchtungsmeister, Videokameraleute – es ist eine fantastische Mann- und Frauschaft,  ganz besonders hier in Salzburg, wo wir eine enorme Unterstützung haben. Wir bereiten uns vor, indem wir   genau auf eine Fülle von Einzelheiten achten, technisch und psychologisch.

 

Frage: Die Geschichte ist bei uns bekannt, kürzlich gab es einen Film über Clara Immerwahr im Fernsehen. Kennen Sie ihn?

 

Mitchell: Ich hab den Film gesehen und er ist wirklich fantastisch. Wir wollen es aber ein wenig anders machen. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich besser ist. Aber bedenken Sie: Dies soll eine Inszenierung werden, die die Zusammenarbeit zwischen der englisch- und der deutschsprechenden Welt feiern soll. Deshalb sprechen wir in dieser Aufführung mal deutsch, mal englisch. Das Ensemble ist je zur Hälfte britisch und deutsch. Es ist eine Koproduktion mit der Berliner Schaubühne. Deshalb haben wir eine Menge deutscher neben den britischen Schauspielern. Es liegt etwas   Dynamisches und Einzigartiges in dieser Zusammenarbeit, besonders, weil ja sich im Ersten Weltkrieg Britannien und Deutschland als Feinde gegenüberstanden. Dieses Stück ist eine Annäherung, wir wollen   ernsthaft an den Versuch von Frauen erinnern, gegen die Gewalt im Ersten Weltkrieg zu protestieren.

 

Frage: Eine Frau inszeniert ein Stück über eine Frau – deren Talent sträflich missachtet wurde; Sie arbeiten an einem Theater (Hamburg), das von einer Frau geleitet wird; kürzlich haben Sie einen Roman einer Frau fürs Theater bearbeitet, nur drei Beispiele. Hand aufs Herz, Katie Mitchell: Sind Sie   Feministin?

 

Mitchell: Klar bin ich Feministin!

 

Frage: Welche Wirkung streben Sie an? Mit „The Forbidden Zone“ und mit Ihren Inszenierungen überhaupt?

 

Mitchell: Es ist sehr schwer vorherzusagen, welche Wirkung etwas hat, das man macht. Die Wirkung, das ist das Geschenk des Publikums, wie die Zuschauer das Werk in Empfang nehmen. Aber hier hoffe ich, dass man zur Kenntnis nimmt, dass, wenn Frauen die Welt führten, sie ganz einfach nicht Kriege als Mittel einsetzen würden, um Uneinigkeiten beizulegen.