Einsame Spitze: Eine neue Geschichte der Vereinigten Staaten
Wer besser verstehen will, wie Donald und viele seine WählerInnen denken & fühlen, findet Rat in Jill Lapores (*1966) neuer Geschichte der Vereinigten Staaten. Sie nennt ihr Werk „Diese Wahrheiten“ – eine Anspielung auf die Unabhängigkeitserklärung der USA.
Dort steht, alle Menschen seien gleich geschaffen – das ist der Ausgangspunkt der Historikerin, die amerikanische Geschichte an der Harvard Universität lehrt. An ihm misst sie die Praxis – das geht nicht gut aus. Zum Beispiel in der Rassenfrage – weder sind die Folgen der Sklaverei bewältigt, noch ist das Unrecht, das den Indianern zugefügt worden ist, wieder gut gemacht.
Welche Folgen das für unsere Gegenwart hat, analysiert Jill Lepore bedrückend kristallklar. Um die Ungleichheit, auch die zwischen Arm und Reich, aufrecht zu erhalten, braucht es ein ganzes Universum von intellektuellen Unredlichkeiten und Tricks, Lug & Trug – viele davon beherrscht und vertritt der jetzige Präsident. Als Frau vergisst Lepore nicht, die Frage nach der Gleichheit der Geschlechter zu stellen. Immer wieder.
Immer wieder. Sie wirkt insgesamt realistisch-pessimistisch, die Zukunft wird mit den neuen Medien nicht heller – andererseits ist ihr Buch von der ersten Zeile an von der Hoffnung durchtränkt, mit ihm aufklären, die Geschichte in den Dienst der Gegenwart wie einer besseren Zukunft stellen zu können.
Die größte Schwäche des Buches ist gleichzeitig seine überzeugendste Stärke: eine Fülle von Fakten und Bezügen, Zitaten, Bildern, Erinnerungen. Anekdoten. Lebensbeschreibungen. Einordnungen. Querverweisen. Klar- und Richtigstellungen. Philosophischen Betrachtungen. Plädoyers für mehr Gerechtigkeit. Anklagen…
Jill Lepore ist ein Meisterinnenwerk geglückt.
Ulrich Fischer
Jill Lepore: Diese Wahrheiten. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Übersetzung (makellos) von Werner Roller. C.H.Beck. München 2019. 1120 S., 39,95 €.