Kultur für alle

Vorurteile über Bord!

Privater Reichtum bei öffentlicher Armut ist eine Begleiterscheinung unserer Epoche. In Amerika überlegen immer wieder Städte, wertvolle Gemälde, die   ihre Museen zieren, zu verkaufen. In Detroit wurde das 2013 abgewendet. Mit gutem Grund meint Kito Nedo: „Welche Zukunft hat eine Stadtgesellschaft, welche die ihr anvertrauten Kultureinrichtungen auf diese Weise plündert?“ , fragt er in der Süddeutschen Zeitung.

Wieso plündert die Stadt ihr Museum? Sie kann das Original verkaufen und stattdessen eine Kopie in ihren Musentempel hängen. Wer merkt das? Kunstfreunde sind am Motiv interessiert, an der Manier des Malers, an der Epoche, in der er gemalt hat – warum sollten sie am Original interessiert sein?

Dem Original wird oft eine besondere Aura zugeschrieben, die  im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks abhanden gekommen ist, wie Walter Benjamin schon 1936 in seinem wegweisenden Aufsatz festgestellt hat. Wir können heute den Mann mit dem Goldhelm so genau kopieren, dass nicht einmal Fachleute die Kopie   vom Original unterscheiden könnten. Und selbst wenn: der Wert des Bildes liegt doch in der Kunst Rembrandts, in der LichtSchatten-Technik – chiaroscuro! – oder was auch immer die in Mode befindlichen Kunsthistoriker für bemerkenswert erklären. Hängen Sie das Bild ins Museum, stellen Sie einen Bildschirm daneben und lassen Sie einen Film laufen über Rembrandts Epoche, seine Manier, dieses Bild und was es heute bedeuten könnte. Das Original verkaufen Sie …

… an eine reiche Frau oder einen Magnaten, der sich das Bild in seinen Salon hängen kann , um seine Mitmilliardäre zu beeindrucken – sei es mit seiner Kaufkraft, sei es mit seinem guten Geschmack. In Hannover hat ein Schokoladenmensch, der irgendwann eingesehen hat, dass das Geld, das er scheffelte, kein Ersatz für den Sinn (s)eines Lebens war, ein Museum finanziert, das jetzt seinen Namen trägt. Die Eitelkeit der Künstler ist groß und wird nur von der der Mäzene übertroffen.

Alle Museen können ihre Sammlung ganz neu aufbauen – jedes Haus lässt Kopien von Werken und Meistern erstellen, die gut zusammenpassen, Zusammenhänge erläutern – und nicht deshalb zufällig zusammenkommen, weil die Stadt gerade mal genug Geld hatte – oder eben keins. Die Direktoren der Galerie drehen Videos und lassen sie am Eingang abspielen, damit er oder sie den Besuchern ihres Hauses   Zusammenhänge erläutern können. Es wird so viele Unterschiede geben, wie   Direktoren, deren Auffassungen und deren Geschmäcker. Variatio delectat.

Früher sammelten Fürsten Gemälde und beschäftigten bekannte Maler des Prestiges wegen. Der Feudalismus ist vorbei, die Torheiten der Aristokraten müssen wir nicht fortführen, in unserm Zeitalter geht es den Gemeinwesen, den Städten, den Ländern, die die Museen tragen, nicht mehr darum, Konkurrenten auszustechen – oder sollte es zumindest nicht. Die Galerien sollten sich in den Dienst ihrer neuen Herren stellen, der Steuerzahler*innen, und sollten sie preiswert mit den Perlen der Kunst bekannt machen – das geht prima ohne   Originale.

Überdies würden die völlig aus dem Ruder gelaufenen Preise für Bilder vermutlich wieder vernünftig(er) werden – wenn viele Gemälde auf den Markt drängen, sinkt der Preis: Angebot und Nachfrage. Kunsthändler werden gewiss den einmaligen Wert des Originals beteuern – Erkenntnis und Interesse. Wenn keiner mehr einem Kunsthändler glaubt, steigt die Geschmackssicherheit.

Also: Verkauft frisch unsere Originale! Bezahlt unsere Schulden! Gebt mal einem zeitgenössischen begabten jungen Maler ein anständiges Honorar. Und wenn ein Kunstfreund klagt:  „plündern“ – kann ihm jede*r Steuerzahler*in getrost erwidern: Nix und niemand  wird „geplündert“. Wir bringen unsere Kunsttempel nur auf den Stand von heute. Für alle, für Kunstfreund*innen von heute.

Kultur für alle!

                                                                                              Ulrich Fischer