Christoph Nußbaumeder, ein bayerischer Volksdramatiker mit Pranke
RECKLINGHAUSEN. Christoph Nußbaumeder stammt, wie einige berühmte gesellschaftskritische Dramatiker – z. B. Bertolt Brecht, Franz Xaver Kroetz- aus Bayern. Er wurde 1978 in Eggenfelden geboren und tatsächlich schon nach seinem Dramatikerdebut „Mit dem Gurkenflieger in die Südsee“ in die Nähe von Kroetz gerückt. Der „Gurkenflieger“, ein engagiertes Stück über das Leben von Landarbeitern, wurde 2005 bei den Ruhrfestspielen uraufgeführt. Das Talent des jungen Dramatikers wurde sofort erkannt, seine Stücke ihm aus der Hand gerissen und an erstklassigen Theatern wie der Berliner Schaubühne oder dem Schauspielhaus Köln gespielt. Die Ruhrfestspiele blieben Nußbaumeder treu, 2013 präsentierten das vom Deutschen Gewerkschaftsbund mitgetragene Festival die Uraufführung von „Mutter Kramers Fahrt zur Gnade“. Der hoffnungsvolle Anfänger hatte sich in einen angesehenen und erfolgreichen Dramatiker der jüngeren Generation verwandelt, als am Mittwoch die Ruhrfestspiele in Koproduktion mit den Sophiensælen Berlin die Uraufführung „Von Affen und Engeln“ präsentierten – in der Halle König Ludwig 1/2, der auf Uraufführungen spezialisierten Werkstattbühne der Ruhrfestspiele.
Tingeltangel
„Von Affen und Engeln“ ist ein Volkstheaterstück, es spielt auf einem Berliner Weihnachtsmarkt. Die Arbeit ist miserabel, schlecht angesehen, wer hier als Weihnachtsmann oder Hauptmann von Köpenick auftritt, hat nichts zu lachen, wer hier Geschenke oder Würstchen feil bietet, wird doppelt ausgebeutet. Nach der Standmiete kassiert die Marktleiterin noch einmal ab und errichtet ein heimliches Überwachungssystem. Versuche der Betroffenen, sich dagegen zum Streik zusammenzuschließen, bleiben stecken. Einem von ihnen, einem Sonderling, gelingt es, Hoffnung zu wecken: Er will ganz neue Energien nutzbar machen, besser als das Perpetuum mobile. Ein genialer Erfinder? Wohl nur ein Scharlatan. Doch der Aufschwung hat bewiesen: Trotz oder gerade wegen aller schlechten Erfahrungen gibt es ein Potential von Hoffnung – bei allen.
Nußbaumeder wählt als zentrale Metapher für die Welt den Jahrmarkt, wo Bertolt Brecht noch das Schlachthaus („Heilige Johanna der Schlachthöfe“) bevorzugt hatte. Den Lichtblick, der darin liegt, rückt Bernarda Horres, die Regisseurin, in den Mittelpunkt der Uraufführung. Die Hoffnung wird in der besten Szene beschworen, sie wird in Form eines überlebensgroßen gesattelten rosaroten Plastikglücksschweins sichtbar, das erglühen kann wie das vierblättrige giftgrüne Kleeblatt, das es in der Schnauze trägt. Den anderen Szenen fehlt dieser Witz, das achtköpfige Ensemble gibt sich Mühe, wirkt trotzdem aber oft unnatürlich, hölzern, gekünstelt. Nur Fritz, ein ehemaliger Schauspieldirektor, wirkt glaubhafter; er wird von Alfred Kirchner, einem ehemaligen Schauspieldirektor verkörpert – eine reizvolle Doppelung von Leben & Kunst. Trotzdem: Das Stück ist besser als die Inszenierung.
Nußbaumeder kam zur Uraufführung nach Recklinghausen und nahm gemeinsam mit dem Ensemble den freundlichen Schlussbeifall entgegen. Seine nächste Uraufführung hat das Schauspielhaus Bochum schon für den 12. September angekündigt: „Das Fleischwerk“. Die Sterne stehen günstig, das Schauspiel Bochum ist ungleich leistungsfähiger als die Sophiensæle aus Berlin.
Ulrich Fischer
Aufführungen:15. Mai – Die Aufführung ist eine Koproduktion mit dem Sophiensælen Berlin und wird ab 4. Dez. übernommen. Spieldauer: 2 Std.
Kartentelefon: 02361 9218 – 0 – Internet: www.ruhrfestspiele.de