Theaterkakao

Bürks/Sienknechts „Günther Gründgens – ein musikalischer Festakt“

HAMBURG. Der Beifall wollte nicht enden, schrille Pfiffe, Enthusiastengegröle, sogar Rosen flogen vom Parkett auf die Bühne – das Publikum im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg war am Freitagabend nach der Uraufführung  von „Günther Gründgens“ aus dem Häuschen. Der gesamte Titel des gut gelaunten Spektakels von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht lautet: „Günther Gründgens – ein Leben, zu wahr, um schön zu sein“.

Wortspiele wie im Titel gibt es viele, und sie erheitern nicht nur, sondern machen auch nachdenklich. Günther Gründgens – der Name erinnert an Gustaf Gründgens, der von 1955 bis 1963 Intendant des Deutschen Schauspielhauses war – ein Theatermann, der den Ruf eines überragenden Genies genoss. Günther Gründgens, eine Erfindung von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht, ist sein fiktiver Bruder, der es nie aus den niederen Rängen geschafft hat, eine Quelle vieler Witze. Das war unangenehm, wenn die ruhmreichen Schauspieler des Deutschen Schauspielhauses sich über die Kollegen lustig machten, die es nie geschafft haben, über Lüneburg hinaus zu kommen.

Aber sonst war der Humor häufig überzeugend, weil ansteckend. Die Geschichte von Günther war nur ein roter Faden, der dem neunköpfigen Ensemble – zwei Damen, sieben Herren – Gelegenheit bot, ihre Künste zu zeigen. Sie sangen und persiflierten meistens erfolgreiche Schlager. Dabei kamen sie nie an die Originale heran, aber doch so weit, dass sie wieder zu erkennen waren – und dann betonten die Interpreten die Emphase, steigerten das Forte zum Fortissimo   –   die Wirkung war stupend. Sofort war die Überzeugungskraft des Vorbilds gebrochen, die Masche des Stars entlarvt – das folgende Gelächter über den durch den Kakao Gezogenen ging einher mit Ernüchterung.

Künstler sind eitel, sie wollen wirken, um sich ins rechte Licht zu setzen – hier wurde die Show selbstkritisch, das Theater nahm sich selbst unter die Lupe – und den Film, das Fernsehen, die Unterhaltung.

Günther wurde wie sein großer Kollege Gustaf 1899 geboren – er lebte im 20. Jahrhundert. Und das Ergebnis der Künste war bescheiden. Sie haben wenig bewirkt – wenn, dann haben sie zur Aufklärung beigetragen. Das Programmheft liefert einen Meisterstreich, um die kritischen Aspekte des Abends zu betonen, einen Aufsatz von Pierre Bourdieu. Er glaubt nicht an Biographien – die Zielgerichtetheit der Erzählung verdeckt, wie der Zufall regiert. Das ist auch eine Botschaft des Abends – wenn er denn eine Botschaft hat.

Am besten waren die Schauspieler – Michael Wittenborn zu beobachten ist einen Abend wert. Er wird alt, Falten dominieren sein Mimenantlitz. Er sieht beim ersten, oberflächlichen Blick aus wie ein Mann, der der Schlaffheit nachgegeben hat. Nicht einen Tag oder eine Woche, nein, Jahre, gar ein Leben lang. Aber welch ein Irrtum, der Schein  trügt: auf einmal singt er, dass er alle mitreisst – und er tanzt. Alle tanzen großartig – nicht überzeugend, sondern zurückgenommen, so dass man die niederträchtige Oberflächlichkeit des Gehampels bei Revuen, bei Schlagerparaden – immer an der Rampe – mit Lust erkennen kann.

Michael Wittenborn – Foto: Matthias Horn

Gustaf Gründgens bleibt im Hintergrund – einmal wird sein Geist beschworen – irrtümlich, und er wird rasch wieder verabschiedet – ein andermal tritt er als Mephisto auf, als er zum ersten Mal auf Faust trifft. Auch er hat nicht dazu beigetragen, der Kunst großen Wert im letzten Jahrhundert mitzugeben – der “musikalische Festakt“ – wie der Klamauk im Schauspielhaus im Untertitel ironisch heißt, legt nahe, dass Gründgens mit seiner Eitelkeit nur einer war unter anderen und seine Kunst trivial. Böser kann man den lorbeergekränzten Mimen kaum angreifen.

Der Beifall war verdient, der Abend mit seinen kaum 120 Minuten vielleicht manchmal   lang, aber es gab viele glänzende Einfälle und vor allem großartige Schauspieler.

Der Besuch lohnt.

Meine Frau meint das nicht. Sie war oft gelangweilt, guckte   auf die Uhr. Alles zu oberflächlich, fand sie – und erinnerte an Abende mit und von Franz Wittenbrink, die auf der gleichen Bühne (und anderswo) ebenso für glänzende Unterhaltung mit singenden und tanzenden Schauspielern boten – aber kritischer, bissiger, eben auf viel höherem Niveau. – Recht hat sie.

                                                                                                                     Ulrich Fischer

Vorstellungen am 23.Jan.; 5., 12. und 25. Feb. – Dauer: 2 Std.