Bürger, seid wachsam!

 

„Eine Orestie“ von Tine Rahel Völcker in Düsseldorf uraufgeführt

 

DÜSSELDORF. „Eine Orestie“ gab das Düsseldorfer Schauspiel bei Tine Rahel Völcker in Auftrag; die Dramatikerin sollte den Stoff des Fluchs, der auf dem Haus der Atriden lag, und die Überwindung des Fluchs mit den Mitteln des Theaters von heute neu nachschaffen – dem Original von Aischylos nachgestalten. Aischylos gilt als einer der Gründerväter des abendländischen Dramas – also grenzt die Aufgabe der Düsseldorfer an die Dramatikerin ans Vermessene.

 

 

Wie Aischylos‘ „Orestie“ ist auch die „Neue Orestie“ von Tine Rahel Völcker eine Trilogie. Sie beginnt mit Anspielungen auf die uralte Geschichte und setzt dann Agamemnon, den Heerführer der edlen Achäer, gleich mit dem Generalgouverneur in Polen, der nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg das Land unter die Herrschaft Deutschlands brachte – Jahre entfesselten Staatsterrors.

 

Damit war die Frage gestellt: Wie soll eine Entsühnung für derartige Verbrechen aussehen, ist sie möglich?

 

Handwerkliche Mängel

 

Es ist nicht einfach, der Handlung zu folgen, die Fabel wird ungeschickt gesponnen, einige Figuren sind schwer zu erkennen – aber im ersten Teil ist eine Szene übersichtlich: Bei einer Abendgesellschaft im Palast des Generalgouverneurs sprechen hochgestellte Damen über das Judenghetto. Die schreckliche Not, die dort herrscht, erfassen sie nicht – ihnen fehlt jedes Einfühlungsvermögen. Und sie wollen sich auch gar nicht einfühlen – das sind ja Juden! Was haben die mit uns zu tun? – Es fröstelt. So könnte es gewesen sein.

 

Anders als bei Aischylos wird aber nichts gesühnt. Agamemnon stirbt, seine Frau und ihr Geliebter erschlagen ihn, der Generalgouverneur wird zwar gehängt, aber nicht von der Gattin, sondern vom Feind. Die Gemahlin bleibt unbehelligt, während bei Aischylos Klytemnestra von ihrem Sohn erdolcht wird – Orest sühnt ihren Mord an seinem Vater.

 

Worte, Worte, nichts als Worte

 

 

Tine Rahel Völcker betont die Unterschiede – bei uns Deutschen war nichts. Es gab weithin nicht einmal ein wirkliches Unrechtsbewusstsein. Deshalb geraten wir in einen „Sumpf“, so der Titel des letzten Teils. Hier gibt es Überlegungen, was zu tun sei, um aus dem Sumpf herauszukommen – das ist der schwächste Teil des sowieso schon schwachen Stücks. Es wird viel geredet und an sich jedem einzelnen Zuschauer überlassen, Konsequenzen zu ziehen. Ein Nie wieder Krieg! klingt an und der Wunsch, das Gewissen zu schärfen und mit der gußeisernen Gleichgültigkeit Schluss zu machen.

 

Das aber sprachlich auf der Ebene eines Schulaufsatzes – szenisch ist nichts Überzeugendes zu sehen, theatralisch schon gar nichts.

 

Dem Ungeschickt der Dramatikerin antwortet die Regisseurin, Nora Schlocker, mit inszenatorischem Ungeschick, ihr fällt angesichts des uninspirierten Textes nix ein –   da können die Schauspieler auch nicht viel machen, obwohl Karin Pfammatter mitspielt und sich ins Geschirr legt. Das Ensemble kann trotz aller Mühe den Thespis-Karren aus dem selbstverschuldeten Sumpf nicht herausziehen.

 

Die Aufführung dauert drei, gefühlt sechs Stunden. Diese „Orestie“ hat die Bühnenreife nicht erlangt.

Ulrich Fischer

 

Kartentelefon: 0211 36 99 11  – Internet: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de

 

Aufführungen am 20., 26. und 31. Mai.; 5., 13., 20. und 23. Juni.

Spieldauer 3 Std.