Ein Schnäppchen

Drei Krimis für einen

„Es war sehr interessant“, sagt die Mörderin. „Ich habe ganz schön viel über Schriftsteller gelernt.“ – Das kann auch jede Leserin und jeder Leser behaupten, die/der Jean Hanff Korelitz‘ „Plot“, einige öde Längen überdauernd, bis zu Ende gelesen hat.

Jean Hanff Korelitz – Foto: Michael Avedon

Es fängt an mit einem stinknormalen Writers-Block, doch dann wird es schon wilder, weil Jake, der Held, der nach einem Anfangserfolg als Autor keinen Anschluss finden kann, bedroht wird: Bald werde sein Widersacher enthüllen, dass Jake seinen „Plot“, dem er seinen Erfolg verdankt, gestohlen habe. Jake hat ein nicht ganz reines Gewissen und befürchtet – zu Recht –  dass eine Plagiatsaffäre seinen Ruf ruinieren würde. Der Literaturbetrieb frisst seine Kinder.

Neben die Bedrohungs-Geschichte setzt Jean Hanff Korelitz, eine vielseitige (amerikanische) Autorin, die den Literaturbetrieb in den Vereinigten Staaten kennt, durchschaut und gnadenlos verspottet, theoretische Erörterungen, in deren Mittelpunkt sie die Dekonstruktion rückt. Aber nicht theoretisch-trocken, sondern witzig, kenntnisreich und anschaulich. Das ist ein Meisterinnenstück an Scharfsinn & Formulierungskunst; die Leichtigkeit, mit der Korelitz das Schwere seiner Gravität enthebt, übersetzt Sabine Lohmann, schein(!)bar anstrengungslos, ins Deutsche.

Korelitz dekonstruiert zunächst mal das erste Buch, mit dem ihr Held seinen Durchbruch feierte, und diese Dekonstruktion (Deko 1.0), die auf der fiktionalen Ebene Jake zugeschrieben wird, übersteigt sogar noch Jakes Anfangserfolg. Die (nächste) zweite Dekonstruktion (Deko 2.0) dekonstruiert  – nur für Sie und mich und allegetreuen Leser von Jean Hanff Korelitz – diese erste Dekonstruktion (Deko 1.0). Das ist spannend, Literaturwissenschaft wie ein Krimi. Der „Plot“ ist rabenschwarz, das Böse siegt. Und das Böse ist weiß, weiblich und wahr!

Im Literaturbetrieb, dessen bis zur fahrlässigen Dämlichkeit gesteigerten Flachsinn Korelitz (kunstvollwortmächtig und situativ glaubhaft verortet) verhöhnt, spielen Kritiker eine tragende Rolle – also Leute wie ich. Ich muss gestehen, Jean übertreibt ein bisschen – aber leider nur ein bisschen. (Die Kollegen sind durchweg saublöd, ich hingegen …)

Für mich als Mann ist „Der Plot“ erkenntniserweiternd & bewusstseinsverändernd. Ich, der ich, naiv wie ich bin, im Ewig-Weiblichen („zieht uns hinan“) immer das bessere, liebenswertere und edlere Geschlecht gesehen habe, wird klar, dass ich mich in einem grässlichen Irrtum befinde. – Befunden habe: Nach der Lektüre vom „Plot“ schaue ich jetzt ganz anders auf die Weiber.

Es ist nicht wünschenswert, etwas zu glauben, wenn kein Grund vorliegt, es für wahr zu halten. (Bertrand Russell)

Der Schein trügt.

                                                                       Ulrich Fischer

Jean Hanff Korelitz: Der Plot. Eine todsichere Geschichte. Roman. Aus dem Amerikanischen von Sabine Lohmann. Heyne München 2022. 352 Seiten, 16 Euro